Nr. 9 vom 22.2.2019
Standpunkt
Schwundgeld würde den „Weltverbrauch“
weiter ankurbeln
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in den vergangenen fünf Jahren die unvorstellbare Summe von 2,6 Billionen Euro „geschöpft“, also aus dem Boden gestampft. Der EZB-Leitzins, der zur Jahrtausendwende noch bei fast fünf Prozent lag, wurde bis auf null Prozent gesenkt. Für einen Großteil der Sparer bedeutet das, dass sie mit ihren Bankeinlagen schon seit Jahren Verluste machen, wenn man die Kontogebühren, weitere Kosten oder die – bei einigen Instituten schon eingeführte – Erhebung von Negativzinsen berücksichtigt.
Nur in einer bargeldlosen Welt können die Zinsen beliebig tief in den negativen Bereich gedrückt werden. In der EZB-Zentrale in Frankfurt am Main ist man sich dessen bewusst und hat das Bargeld als eine der wichtigsten Barrieren bei der Ausdehnung der eigenen Manipulationsmöglichkeiten identifiziert. Schon die endgültige Abschaffung des 500-Euro-Scheins im laufenden Jahr, die mit der angeblichen Vorliebe von Kriminellen und Terroristen für diese Banknote begründet wurde, dürfte andere Hintergründe als die offiziell angegebenen haben (schließlich erregt kein Schein so große Aufmerksamkeit wie dieser).
Automatische Abwertung von Barem
Zwei Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF), Ruchir Agarwal und Signe Krogstrup, haben nun vorgeschlagen, im Falle der Festsetzung eines negativen Leitzinses durch die Zentralbank auch das Bargeld im gleichen Maße zu entwerten. Damit würde den Bürgern eine wichtige Möglichkeit genommen, ihr Vermögen und ihre Kaufkraft zu wahren. Die Realisierung dieser Idee würde nicht nur einen immensen Aufwand für Einzelhändler nach sich ziehen, die laufend die Preise anpassen müssten. Durch die Einführung des „Schwundgeldes“ würden auch unnötiger Konsum und Ressourcenverbrauch belohnt werden, da jeder Bargeldbesitzer versuchen würde, seine Bestände möglichst rasch wieder loszuwerden.
Ein Bargeld mit abnehmender Kaufkraft wäre der natürliche Feind jeden ökologischen Ansatzes, der immer auf einem sorg- und sparsamen Umgang mit den vorhandenen Gütern beruht. Schon angesichts der Niedrigzinspolitik hat Peter Sloterdijk 2014 auf einen Zusammenhang hingewiesen, der durch Schwundgeld noch verstärkt würde: „Wenn die Zukunft enttäuschend verläuft und keinen Zins verspricht, kehrt man zurück in den Endkonsum hier und heute.“ Als Folge des „aktivistischen Konsumismus“ machte Sloterdijk einen „sich täglich intensivierenden ‚Weltverbrauch’“ aus.
Sinn warnt
Leider handelt es sich bei den Überlegungen von Agarwal und Krogstrup nicht nur um eine Spinnerei zweier akademischer Außenseiter. Möglicherweise soll damit eine große geldpolitische Wende vorbereitet werden. Schon im vergangenen Jahr veröffentlichte Krogstrup nämlich eine IWF-Studie, in der es um das Thema der Abwertung von Bargeldbeständen ging. Ihre damalige Co-Autorin war Katrin Assenmacher-Wesche, die derzeitige Leiterin der Abteilung geldpolitische Strategie der EZB.
Hans-Werner Sinn, der langjährige Präsident des Münchener ifo-Instituts, sieht in der neuen IWF-Studie ein alarmierendes Zeichen. Er äußerte, dass „es für Deutschland Zeit“ wäre, „den Euro aufzugeben“, falls die Pläne der beiden IWF-Ökonomen verwirklicht würden. In diesen sieht Sinn „die lange befürchtete Währungsreform“, bei der „auch schon klar“ wäre, „wer hier geschröpft werden soll“, da in Deutschland „besonders viel Bargeld gehalten“ wird. Der frühere ifo-Chef sieht im Bargeld eine letzte Institution, die „der Ausbeutung der Sparer noch eine Grenze setzt, weil es eine Zinsuntergrenze von null implizierte. Man arbeitet nun aber in Washington offenbar fieberhaft daran, auch diese Grenze zu schleifen.“
Rechenschaft über jeden Schritt?
Die schöne neue Geldwelt, an der man in Washington und Frankfurt arbeitet, wäre auch mit einem Frontalangriff auf die Privatsphäre der Bürger verbunden. Denn mit elektronischem Geld durchgeführte Transaktionen können jederzeit überwacht und nachvollzogen werden, Doch wird es weiterhin Menschen geben, die nicht mit jedem Cafébesuch ihr Profil als Konsument oder Bürger vervollständigen und auch privat nicht in die Lage geraten wollen, über den kleinsten Schritt schwarz auf weiß Rechenschaft ablegen zu müssen.
Jürgen Schwaiger
Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 22. Februar 2019
MAASSEN WARNT WIEDER
Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen erhob auf einer Veranstaltung der „WerteUnion“ am 16. Februar 2019 den Vorwurf: „Die Fehler von 2015 wirken nicht nur fort, sie werden täglich wiederholt.“ Warum ist die Bundesgrenze nach wie vor für jeden offen?
MOGELPACKUNG „RESPEKT-RENTE“?
Der rentenpolitische Vorstoß der SPD hat Profilschärfung und Imagepflege zum Zweck. Ob er allerdings von den Wählern honoriert wird, bleibt abzuwarten. Um die Glaubwürdigkeit geht es auch für SPD-Ministerin Franziska Giffey, seit Plagiatsjäger ihre Doktorarbeit unter die Lupe nehmen.
ESKALATION BIS ZU WELCHEM PUNKT?
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurden die Spannungen nach dem US-Ausstieg aus dem INF-Abrüstungsvertrag noch verstärkt. Warum eine gefährliche Aufrüstungsspirale jetzt wahrscheinlich ist.
AUF LEISEN SOHLEN VORAN
Von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt, ist es Russland in den vergangenen Jahren gelungen, seinen Einfluss in Afrika erheblich zu vergrößern. Das wiederum lässt in Washington die Alarmglocken läuten.
BLICKPUNKT SPANIEN
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hat vorgezogene Neuwahlen für Ende April ausgerufen. Während er vor einem politischen Scherbenhaufen steht, sieht die aufstrebende Partei „Vox“ die „Stunde des lebendigen Spaniens“ gekommen.
EINSCHÜCHTERUNGEN
Vor den wichtigen Wahlen dieses Jahres spitzt sich die Situation zu. Erfolge der AfD sollen minimiert werden, wenn sie denn schon nicht zu verhindern sind. Dabei kommen verschiedene Strategien zur Anwendung.
MEHR SCHINKEL FÜR BERLIN
Beim Wiederaufbau der Bauakademie in Berlin, die im Zweiten Weltkrieg durch Bomben schwer beschädigt und 1962 abgerissen wurde, geht es nicht um eine bloße nostalgische Übung, sondern darum, den Geist ihres Erbauers, Karl Friedrich Schinkel, für die Gegenwart fruchtbar zu machen und die Ideale des preußischen „Weltverschönerers“ zu achten: Bildung, Ästhetik, Vaterland.