Nr. 7 vom 9.2.2018
Standpunkt
Eine Elitenkrise ist
keine Demokratiekrise
Laufend liest und hört man derzeit Einschätzungen wie folgende, mit einem Bild von AfD-Chef Alexander Gauland illustrierte Aussage des Politikwissenschaftlers Jan-Werner Müller im neuen „Spiegel“: „Der Populismus ist ein Symptom für die Krise einer Parteiendemokratie, in der es vermeintlich keine echten Wahlmöglichkeiten gibt.“ Ein Satz wie aus einem Katechismus. Doch zum Glück ist er falsch.
Herrschaft auf Zeit
Der „Populismus“ in Form einer neuen Partei, die sich in den Parlamenten etabliert, ist ja gerade ein Symptom für das Funktionieren der Demokratie, die Herrschaft nur auf Zeit vermittelt, in der keine Partei eine Ewigkeitsgarantie beanspruchen kann und in der sich auch ehemalige Volksparteien, die sich dem Volk entfremdet haben, atomisieren dürfen. Und die AfD wird von ihren Wählern doch als echte Wahlalternative wahrgenommen.
Umgekehrt kann jetzt auch niemand mehr über „den Bundestag“ schimpfen, in dem es angeblich keine wirkliche Diskussion und nur einen Einheitsbrei gebe. Die Anwesenheit der AfD hat alle Annahmen dieser Art beendet.
Zu beklagen ist etwas anderes: Dass die schon länger etablierten Parteien (und ihnen zuneigende Medien) aus Machtinteresse nicht in der Lage sind, den Funktionsbeweis der Demokratie anzuerkennen, der im Aufstieg der neuen Kraft liegt, sondern eine Krise der Demokratie herbeizureden versuchen, wo keine ist. Weswegen man immer mal wieder eine Lex AfD probiert, wie jetzt in Niedersachsen mit der geplanten Änderung des Gedenkstätten-Stiftungsgesetzes, oder einen verfassungswidrigen Zustand herbeiführt, indem etwa die AfD als einzige Fraktion nach wie vor nicht im Bundestagspräsidium vertreten ist.
Die Geschichte ist geprägt von einer laufenden Transformation der Eliten – verstanden als Inhaber von Macht – und die Demokratie ist der Weg, auf dem sich dieser Wandel friedlich und legitim vollziehen kann. Zur Demokratie gehört auch, dass die bisherigen Eliten das Interesse an der Konservierung ihrer Herrschaft nicht über die demokratischen Spielregeln stellen. Nicht der Aufstieg einer neuen Kraft, sondern das Sperrfeuer, mit dem die Herrschenden sie behindern, ist also eine Herausforderung für die Demokratie.
Schulz und die SPD: eine „Tragödie“?
Der Fall des Martin Schulz und seiner Partei ist daher auch keine „Tragödie“, wie man uns weiszumachen sucht. Denn erstens ist er nicht unverschuldet und zweitens ganz in der demokratischen Ordnung. Wie „Die Zeit“ gerade richtig bemerkte, gehörte Schulz zur „Globalpartei“, habe die SPD „vor allem internationalistischer“ machen wollen. Dafür gibt es derzeit einfach keine Nachfrage.
Ulrich Wenck
Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 9. Februar 2018
EIN MERKEL-VERSPRECHEN
… und was davon übrig blieb. Im Oktober 2016 hatte die Kanzlerin eine „nationale Kraftanstrengung zur Rückführung derer, die abgelehnt wurden“, angekündigt. Jetzt liegen konkrete Daten vor. Danach ist die Zahl der Abschiebungen sogar rückläufig.
„KRIEGSZUSTÄNDE“
Ob der „Krieg der Banden“ in Calais oder das „Gymnasium im Kriegszustand“ in Toulouse – französische Medien versuchen, die zunehmenden Konflikte mit starken Vergleichen zu beschreiben. Wie die Fälle zusammenhängen.
RÜCKKEHR DER NEOCONS
Der Nahe Osten bleibt für Washington eine Region von großer hegemonialpolitischer Bedeutung Das geht auch aus der unlängst vorgestellten Nationalen Verteidigungsstrategie hervor.
DEMOGRAFISCHE DIMENSIONEN
Die UN gehen davon aus, dass Afrika am Ende dieses Jahrhunderts Heimat von 4,5 Milliarden Menschen sein wird. Eine Zahl, die Anlass genug bietet, die migrationspolitische Debatte nüchtern zu führen und über die Eindämmung von „Push-“ und „Pull-Faktoren“ zu sprechen.
OBJEKTIVIERUNG GEFRAGT
In Österreich findet gegenwärtig ein Kesseltreiben gegen Burschenschaften statt. Eines der Ziele ist ganz offensichtlich, Zwietracht in die Reihen der FPÖ zu tragen und die Regierung unter Druck zu setzen. Geht die Rechnung auf?
WOLKEN ÜBER DER „RAINBOW NATION“
Die vom „African National Congress“ (ANC) regierte Republik Südafrika versteht sich als „Regenbogen-Nation“, in der alle Menschen friedlich und gleichberechtigt zusammenleben können. Die Realität sieht jedoch oft anders aus. Farmer-Schicksale am Kap.
NOTWENDIGE AGRARWENDE
Umweltschutz und Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe: Wie wichtig ist eine Agrarwende im Sinne des ökologischen Landbaus als Ergänzung zur Energiewende? Anhänger der konventionellen Landwirtschaft und der Biolandwirtschaft diskutieren diese Frage leidenschaftlich.
FEUER UNTER DEN KUFEN
Die bundesdeutsche Eishockey-Nationalmannschaft will bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang überzeugen. Vor vier Jahren hatte sie die Qualifikation für die Spiele in Sotschi verpasst. Nationaltrainer Marco Sturm glaubt an seine Truppe, die in der Vorbereitung gute Ergebnisse erzielen konnte.