Nr. 51 vom 15.12.2017
Standpunkt
Söders Doktor
Der künftige bayerische Ministerpräsident Markus Söder wurde 1998 von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg aufgrund seiner Dissertation zu dem rechtsgeschichtlichen Thema „Von altdeutschen Rechtstraditionen zu einem modernen Gemeindeedikt. Die Entwicklung der Kommunalgesetzgebung im rechtsrheinischen Bayern zwischen 1802 und 1818“ zum Dr. jur. promoviert. Es handelt sich um eine eigenständige Arbeit mit interessanten Akzenten.
Söders Doktorvater war der 1933 geborene und 2001 emeritierte Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrechtler Professor Dr. Christoph Link. Die 262 Seiten starke Abhandlung ist mit 416 Fußnoten versehen, von denen viele auf Dokumente im Bayerischen Hauptstaaatsarchiv München verweisen.
Natürlich weckte auch Söders Dissertation nach der Guttenberg-Affäre 2011 das Interesse von Plagiatsjägern, die aber bei Söder ebenso wenig wie bei Guido Westerwelle fündig wurden.
Kritik an einem seiner
Vorgänger: Graf Montgelas
Der Stil von Söders Arbeit ist schnörkellos und sachlich. Bemerkenswert ist die im zusammenfassenden Schlusskapitel zu lesende Einschätzung der Situation Bayerns in der Zeit des Zusammenbruchs des napoleonischen Frankreichs. Die Auffassung, Bayern habe sich in dieser Situation einer preußischen Hegemonie erwehren müssen, wies Söder mit dem Hinweis zurück, dass „die Habsburger zu jener Zeit die eigentlich dominierende Kraft in Deutschland waren“.
Söder fuhr fort: „So war der Wegfall des militärischen und politischen Partners Frankreich weit weniger bedeutend für die Entwicklung Bayerns als die Niederlage des ‚geistigen Vorbildes‘ in Form des absolutistischen französischen Staatsideals. Denn das französische Vorbild hatte sich abgenutzt und verbraucht. Durch die Befreiungskriege bedingt, begann man sich mehr für das Deutsch-nationale zu begeistern.“
Nicht sehr gut kommt bei Söder Maximilian Graf von Montgelas weg, der zwei Jahrzehnte lang die bayerische Politik dominierte, bei seiner Entlassung – seinem Sturz – 1817 Außen-, Finanz- und Innenminister war und dessen Stellung der eines Ministerpräsidenten gleichkam. Montgelas (der übrigens auch Franz Josef Strauß wie vielen anderen geschichtsbewussten Bayern unsympathisch war) habe sich „den französischen Staatsideen zu eng verbunden“ gefühlt. „Selbst als erkennbar wurde, dass die Strukturen des französischen Vorbilds in Bayern nicht so einfach zu übernehmen und umzusetzen waren, versuchte er, notwendige Reformen zu verhindern.“
Rücksicht auf die „Cultur des Volkes“
Montgelas habe versucht, den Gegensatz von Staat und Gemeinden „nach französischem Vorbild zu lösen, indem er den Kommunen alle eigenständigen Rechte nahm und sie als unterste Stufe in die Staatshierarchie einordnete“, schreibt Söder. Im Zusammenhang mit dem bayerischen Gemeindeedikt von 1818, das die gemeindliche Selbstverwaltung wiederherstellte, zitiert Söder zustimmend den an dessen Ausarbeitung maßgeblich beteiligten Staatsmann Georg Friedrich von Zentner mit den Worten, „ohne eine dem Geiste der Zeit und der Cultur des Volkes entsprechende Gemeinde-Verfassung“ sei eine allgemeine Staatsverfassung nicht denkbar. Die Aussage Zentners findet sich auch in einigen anderen Veröffentlichungen, aber bei Söder ist sie ausführlicher wiedergegeben – mit Verweis auf die entsprechende Seite der im Bayerischen Hauptstaatsarchiv verwahrten Protokolle der Sitzungen des Staatsrates. Aus einer Sekundärveröffentlichung abgeschrieben ist sie ersichtlich nicht.
Lehren für die Praxis
Söders Dissertation geht demnach tatsächlich ad fontes. Die Arbeit daran dürfte, von den Einsichten in die Geschichte abgesehen, auch sein Empfinden dafür verstärkt haben, dass ohne Rücksicht auf die „Cultur des Volkes“ erlassene Rechtsvorschriften – wie einst diejenigen des Grafen Montgelas und heute manches, was aus Brüssel kommt – mit einer freiheitlichen Entwicklung nicht vereinbar sind.
Ulrich Wenck
Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 15. Dezember 2017
VERÄRGERT ÜBER TALKSHOWS?
Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Mathias Kepplinger hat sich jüngst mit der „Macht meinungsmächtiger Milieus“ auseinandergesetzt und dabei auch die Talkshows der Öffentlich-Rechtlichen untersucht. Sein Fazit: Weder die Meinungsverteilung noch die Moderation spiegelt das Meinungsspektrum in der Bevölkerung adäquat wider.
VEREINIGTE STAATEN VON EUROPA?
Auf dem SPD-Parteitag sprach sich Martin Schulz dafür aus, die EU bis 2025 in Vereinigte Staaten von Europa mit einem gemeinsamen Verfassungsvertrag umzuwandeln. Mit dieser Vision ist er keineswegs allein; sie findet auch in der Union prominente Anhänger. Doch der GroKo-Traum von den U.S.E. ist grundgesetzwidrig.
TRUMP OHNE MASKE
Ob Donald Trump nun aus innen-, außenpolitischen oder aus sonstigen Gründen zu der Ansicht gelangte, es sei Zeit, „Jerusalem offiziell als die Hauptstadt Israels anzuerkennen“ – die Entscheidung bestärkt die israelische Siedlungspolitik, mindert damit auch die Aussicht auf eine Zweistaatenlösung weiter, kostet Menschenleben. Von der Öffentlichkeit kaum registriert, nimmt auch die US-Außenpolitik auf dem Balkan aggressivere Züge an.
VERSCHWIEGENES PROBLEM
Zu den Begleiterscheinungen der von Bundeskanzlerin Merkel im Widerspruch zu den Grundsätzen des Asylgesetzes durchgesetzten Einreise von Asylmigranten über sichere Drittstaaten zählt das Anwachsen der Zahl der UMA – also „unbegleiteter minderjähriger Ausländer“. Einige von ihnen verbreiten Angst und Schrecken. So auch in Mannheim, wo der sozialdemokratische Oberbürgermeister Alarm schlägt.
DEUTSCHLAND HAT NICHT PROFITIERT
Eine von der Europäischen Zentralbank in Auftrag gegebene Studie zeigt: Der Euro hat die ökonomischen Unterschiede innerhalb der EU nochmals vergrößert und in etlichen Mitgliedsstaaten zu dramatischen Wohlstandsverlusten geführt. Auch Deutschland hat von der Gemeinschaftswährung keineswegs profitiert.
WORAN LIEGT DAS?
Laut einer Umfrage nimmt eine Mehrheit der türkeistämmigen Migranten hierzulande eine deutliche Verschlechterung des Verhältnisses zu den Deutschen wahr.
BEWAHRUNG DES EIGENEN
Der niederländische Historiker, Jurist und Politiker Thierry Baudet gilt in Holland als neuer „Star der Konservativen“. In seinem aktuellen Buch „Oikophobie“ befasst er sich mit dem „Hass auf das Eigene“ und dessen zerstörerischen Folgen.
VON HERO UND LEANDER ZUR VOLKSBALLADE
„Es waren zwei Königskinder“ lässt sich musikalisch bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Von dort weisen Spuren textlich zurück, nämlich ins Spätmittelalter auf eine deutsche Bearbeitung der aus der Antike überlieferten griechischen Sage um das Liebespaar Hero und Leander.