Nr. 49 vom 29.11.2019

Nr. 49 vom 29.11.2019

Standpunkt

Das gibt keine Ewigkeit zurück

Zum Einbruch in Dresdens Grünes Gewölbe

„Das, was uns bleibt und das wir würdig wieder instandsetzen können, werden wir als köstlichstes Vermächtnis bewahren. Wir werden, ebenso wie in unseren eigenen Lebensbezirken, das Schöne mehr zu würdigen lernen, als wir es im Überfluss taten.“ Dieser von dem Schriftsteller Eugen Roth schon im Jahr 1945 bekundete Wille scheint bei den derzeit in und für Dresden Verantwortlichen zumindest keine Priorität genossen zu haben. Statt sich über die Sicherheit der unwiederbringlichen Schätze der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden vertiefte Gedanken zu machen, befasste man sich lieber mit wiederkehrenden Resolutionen und „Zeichen“ gegen Pegida. Letzteres ist zugegebenermaßen bedeutend einfacher, gerade weil zu dem Thema schon alles Denkbare geäußert wurde.

Nun also ist der Schaden da – und mutmaßlich ist er irreparabel. Was man von der Minute ausgeschlagen, gibt keine Ewigkeit zurück. Denn bei der Bekanntheit des Diebesguts ist davon auszugehen, dass die Stücke zerschlagen werden.

Die Deutschen, die Sachsen und insbesondere die besonders geschichtsbewussten Dresdner sind so entsetzt wie die Fachwelt. Unmittelbar nach dem dreisten Juwelenraub machten Bürger ihrem Ärger über die als verfehlt erachteten Sicherheitsmaßnahmen Luft. Vor dem Residenzschloss fanden sich Demonstranten mit Schildern wie „Kunstschätze statt Bürger überwachen“ ein. Auch in den sozialen Medien schlugen die Emotionen hoch.

Solidaritätsbekundungen erhielten die Dresdner unter anderem aus Wien. Die Generaldirektorin des dortigen Kunsthistorischen Museums, Sabine Haag, sprach von „schockierenden Ereignissen“ und einem „Angriff auf die kulturelle Identität Sachsens“. Es sei schwer vorstellbar, dass es Menschen gebe, die mit solch brachialer Gewalt mit Kulturgut umgingen. „Uns verbindet mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eine langjährige exzellente und freundschaftliche Zusammenarbeit. Wir sind unseren Kollegen in dieser außergewöhnlichen Situation zutiefst verbunden und hoffen auf eine schnelle Aufklärung des Verbrechens sowie vor allem auf eine baldige Rückkehr der Kunstschätze ans Haus“, so Haag.

Jede Sparkasse ist besser geschützt

Die drei betroffenen Garnituren enthalten Diamanten unterschiedlicher Schliffformen, die fast alle von August dem Starken und August III. erworben wurden und ihre Fassungen größtenteils in den Jahren zwischen 1782 und 1789 erhielten. Von den rund hundert Teilen im Schaukasten ließen die Einbrecher insgesamt elf komplette Objekte sowie Teile von zwei weiteren Stücken und mehrere Rockknöpfe mit Brillanten und Diamanten mitgehen.

Der auf Kunst spezialisierte Versicherungsmakler Stephan Zilkens stellte fest, dass die Sparkassen viel bessere Sicherheitsvorkehrungen als die allermeisten deutschen Museen hätten. Zur Situation im Historischen Grünen Gewölbe sagte er: „Es scheint so zu sein, dass weder die mechanischen, also Gitter, Fenster, Türen, noch die technischen Schranken, so wie die Alarmanlage, richtig funktioniert haben.“ Folgen einer Unbekümmertheit, die sich in die umfassendere Bereitschaft großer Teile in Deutschland maßgeblicher Eliten zur Preisgabe des kulturellen Erbes fügt.

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 29. November 2019

„DIE CDU HAT KAPITULIERT“

Der Fall Rainer Wendt unterstreicht genauso wie die parteiinterne Auseinandersetzung um die sogenannte Werteunion: Die CDU hat ihren konservativen Kompass aufgegeben und steht nach 13 verlorenen Wahlen schwach wie selten da. Trotzdem bekräftigt sie auf ihrem Parteitag den Führungsanspruch in der deutschen Politik. Doch eine Kursänderung ist nicht in Sicht.

SUBVENTIONIERTE PRESSE

Die Auflagen gedruckter Zeitungen sind rückläufig. Anzeigenaufträge, die die Bundesregierung im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit vergibt, reichen den begünstigten Verlagen in der jetzigen Lage längst nicht mehr als Geldspritze aus. Nun hat der Haushaltsausschuss des Bundestages eine erhebliche finanzielle Förderung der Zeitungszustellung beschlossen. Doch das birgt auch Gefahren für die Presse, die im freiheitlichen Staat von der öffentlichen Gewalt unabhängig sein muss.

LÄSST SICH DIE SPD RETTEN?

Ob sich das Verfahren zur Neubesetzung der sozialdemokratischen Parteispitze gelohnt hat, wird sich erst mittelfristig zeigen. Kurzfristig konnte die SPD jedenfalls nicht von dem Kandidatenrummel der letzten Wochen und Monate profitieren, wie aktuelle Umfragen unterstreichen.

ZWEI DRITTEL SIND BESORGT

Das Zutrauen in die Leistung der Regierung und in die politische Stabilität sei in der laufenden Legislaturperiode „erdrutschartig verfallen“, hat das Institut für Demoskopie Allensbach ermittelt. Dessen Geschäftsführerin spricht von einer „Erosion des Vertrauens“.

AUF DIE NORWEGISCHE ART

Norwegen ist über Pensionsfonds längst eine Supermacht an den internationalen Finanzmärkten. Taugt die Vermögensbildung des skandinavischen Landes auch als Vorbild für die Bundesrepublik Deutschland?

DER GRIFF NACH DEM ALL

Auf dem anstehenden NATO-Gipfel soll beschlossen werden, was Generalsekretär Jens Stoltenberg so formuliert: „Wenn wir den Weltraum zu einem Operationsbereich machen, wird uns das helfen sicherzustellen, dass alle Aspekte in Erwägung gezogen werden, um den Erfolg unserer Einsätze zu gewährleisten.“ An der Weltraumstrategie der NATO hat vor allem Washington ein großes Interesse.

AM VORABEND EINER NEUEN KRISE?

Krisen, Unruhen und die Geburt einer neuen Weltordnung: In seinem aktuellen Buch „Weltsystemcrash“ will der Vermögensverwaltungsexperte und Fondsmanager Max Otte die Fragilität der internationalen Ordnung verdeutlichen.

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