Nr. 41 vom 7.10.2016

Nr. 41 vom 7.10.2016

Standpunkt

Der Müll ist ehrlich

Zwei Wochen lang lobten tonangebende Organe unisono, wie entspannt und „easy“ diesmal das Oktoberfest sei, da die Zelte – dank Merkelpolitik, Zaun und Taschenkontrollen – nicht zu schließen brauchten, keine Schlangen davor stünden und jeder ein Plätzchen finde. „Ob die Wiesn in Zeiten der Angst jetzt halb leer oder halb voll ist, interessiert nur Wirte und Schausteller. Die Besucher freuen sich über Platz und Gelassenheit“, meinte etwa die „Süddeutsche Zeitung“ am 24. September.

Und dieselben Medien beten dann, ohne kritisches Hinterfragen, die städtische „Schätzung“ für 2016 nach: „5,6 Millionen Menschen haben die Wiesn besucht.“ Also nur 300.000 oder gut 5 Prozent weniger als die 5,9 Millionen im Vorjahr!

Das passt schon nicht mit den Eindrücken von der Theresienwiese zusammen. Ebenso wenig mit den Angaben von Taxifahrern und anderen, die bis zu 40 Prozent weniger Umsatz beklagten. Wenn schon, wie eingeräumt wird, am ersten Wochenende – 17./18. September – 500.000 Besucher weniger da waren als im Vorjahr, hätte im weiteren Verlauf die Wiesn zudem sogar voller und nicht leerer als 2015 sein müssen.

Erst recht verträgt sich die Angabe 5,6 Millionen nicht mit folgender auf eine Verlautbarung der Stadt München gestützten Meldung, die einige Tage nach dem Festende – regionale – Verbreitung fand: „95 Tonnen Müll haben die Besucher des Oktoberfests auf der Theresienwiese hinterlassen. Im vergangenen Jahr waren es noch 120 Tonnen.“

95 Prozent der Gäste des Vorjahres machten nur 80 Prozent des Abfalls? Das wäre in der Tat ein großartiger Befund und müsste als revolutionärer Fortschritt bei der Müllvermeidung näher untersucht werden – nimmt doch in Deutschland überall sonst die Menge an Verpackungsmüll von Jahr zu Jahr zu.

Aber die Erklärung für die widersprüchlichen Zahlen ist vermutlich viel einfacher: Der Müll sagt uns die Wahrheit über die Zahl der Oktoberfestbesucher 2016. Es waren, wenn wir nach dem unbestechlichen Abfall gehen, eben nicht 5,6 Millionen, sondern knapp 4,7 Millionen Wiesnbesucher. Damit also deutlich weniger als die vor fünfzehn Jahren – nach dem 11. September 2001 – gezählten 5,5 Millionen, die man mit der offiziellen Schätzung offensichtlich keinesfalls unterschreiten wollte. So konnte man sagen: „Das ist der niedrigste Wert seit 2001.“ Und musste nicht einräumen: Das sind weniger Besucher als 1953, in welchem Jahr erstmals die Fünfmillionengrenze überschritten wurde.

B. Schreiber

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 7. Oktober 2016

HILLARYS KRIEGE

Für die demokratische US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton ist Gewalt ein legitimes Mittel der Außenpolitik. Mit diesem Kurs hat sie sich in der Vergangenheit auch schon wiederholt durchgesetzt – mit gravierenden Folgen. Eine Analyse von Dr. Bernhard Tomaschitz.

VORBOTE EINER TENDENZWENDE?

Dass die Frank-Schirrmacher-Stiftung im Haus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in Berlin einen hochdotierten Preis „für herausragende Leistungen, die zum besseren Verständnis der Gegenwart beitragen“, an Michel Houellebecq verlieh, hat Bedeutung. Auch wenn nicht alles, was der französische Schriftsteller in seiner Dankrede sagte, einer Überprüfung standhält.

MERKEL BLEIBT MERKEL

Bundesdeutsche Massenmedien berichteten zuletzt über eine vermeintliche Wende der Kanzlerin in der Asylpolitik. Gibt es eine solche? Mehr deutet darauf hin, dass in Wahrheit kein Kurswechsel stattfindet.

ENERGIEWENDE UNTERIRDISCH?

Die Monstertrasse ist vom Tisch, stattdessen soll nun die aus Windkraft an der Nordsee gewonnene Energie vorrangig per Erdverkabelung in den Süden der Republik transportiert werden. Doch bei diesem Vorhaben tun sich große Probleme auf.

KOMMT WIENER „SICHERHEITSKABINETT“?

Bereits 1968 beschloss der Bundestag gegen zahlreiche Widerstände die sogenannten Notstandsgesetze, um, wie es hieß, die Handlungsfähigkeit des Staates in Krisen zu sichern. Fast ein halbes Jahrhundert später will Österreich nachziehen.

VOM FREIHEITSINDEX UND MEHR

In den sozialen Netzwerken werde „viel zu wenig und viel zu langsam“ gelöscht, moniert Bundesjustizminister Heiko Maas. Andererseits hat mehr als ein Drittel repräsentativ befragter Bundesdeutscher mittlerweile Angst davor, die eigene politische Meinung öffentlich zu äußern.

MIT DER BRECHSTANGE

Muss „Intersexualität“ bereits im Kindergarten ein Thema sein? Warum sollten Achtklässler zu einem „Coming-Out“ angeregt werden? Hessens neuer Lehrplan.

SO EINEN BRAUCHEN KINDER

Märchenerzähler mit der Kamera: Rolf Losansky gehörte zu den erfolgreichsten Kinderfilm-Regisseuren der DEFA in Potsdam-Babelsberg. Seine Werke begeisterten in den siebziger und achtziger Jahren in der DDR und darüber hinaus. Im Alter von 85 Jahren ist er am 15. September verstorben.

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