Nr. 4 vom 18.1.2019
Standpunkt
Mobil gleich „progressiv“,
sesshaft gleich „populistisch“?
Wenn es nicht recht ernst wäre, könnte man sich fast darüber amüsieren, wie Mainstream-Journalisten häufig versuchen, die Unterscheidung zwischen angeblichen „Anywheres“ und sogenannten „Somewheres“ mit Wertungen aufzuladen, die verraten sollen, dass sie sich klar der ersten Gruppe zurechnen. So beschrieb der „Spiegel“ gerade „den Konflikt zwischen Kosmopoliten und Populisten“ als eine Spaltung zwischen „oben und unten, wohlhabend und bedürftig, selbstzufrieden und unglücklich, kosmopolitisch und bodenständig, mobil und sesshaft, progressiv, aufgeschlossen und – da ist es, das hässliche Wort, um das man nicht herumkommt: populistisch“.
Wie kann man nur, zumal in Zeiten des Klimawandels, „mobil“ mit „progressiv“ sowie „aufgeschlossen“ gleichsetzen und „sesshaft“ mit „populistisch“ (zuweilen auch mit „einfach“ oder gar „ungebildet“)? Eine oft über Generationen einer Familie Gestalt annehmende Bibliothek etwa kommt nicht zustande, wenn man ohne Ort ist. Und – nebenbei – wird von „Mobilität“ allein niemand satt. Kein Stück Brot entsteht dadurch, sondern dazu bedarf es landwirtschaftlichen und handwerklichen Know-hows, das zum Glück, da mit Sesshaftigkeit verbunden, überall auf der Welt verschieden ist, was ein Stück Vielfalt sichert.
Nomadische Gesellschaften haben in der Menschheitsgeschichte ihren Platz, aber wer diese Lebensform so lächerlich überhöht, hat das Thema offenbar nicht zu Ende gedacht.
K. G.
Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 18. Januar 2019
KULTUR DER GEWALT
„Kantholz statt Nationalstolz“ lautete eine der Parolen, die in Riesa bei einer Anti-AfD-Kundgebung in Anspielung auf den Angriff gegen den Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz geäußert wurden. Was besagt es über das politische und gesellschaftliche Klima, wenn Gewaltfantasien gedeihen und umgesetzt werden?
GELBWESTEN ETABLIEREN SICH
Die von Präsident Emmanuel Macron im Dezember verabreichten Beruhigungspillen haben nicht gewirkt: Die Bewegung der Gelbwesten ist in Frankreich mit neuem Schwung in das Jahr 2019 gestartet. Auch eine Parteigründung wird ins Spiel gebracht. Wie die Regierung in Paris den Protest künftig eindämmen will.
VOM MITTELMEER NACH DEUTSCHLAND
Mit der Aufnahme von 49 Migranten aus NRO-Obhut wurde ein neuer Präzedenzfall geschaffen. Nachdem die Bundesrepublik bereits viele Hunderttausende Asylmigranten aufgenommen hat, ohne für die Verfahren eigentlich zuständig zu sein, steht für viele Tonangebende fest, dass Berlin sich immer wieder bereit erklären soll.
BREXITEER HELENA MORRISSEY
Medien erweckten den Eindruck, außer einigen zu kurz Gekommenen sei kaum noch jemand für den Brexit. Prominentestes Gegenbeispiel ist „Superwoman“ Helena Morrissey. Die erfolgreiche Investmentmanagerin und neunfache Mutter zählt zu den Top-Führungskräften der Finanzbranche im Vereinigten Königreich.
EUROPA GEHT NUR MIT NATIONEN
Robert Menasse, Träger der Carl-Zuckmayer-Medaille 2019, legte dem CDU-Politiker Walter Hallstein als einem Wegbereiter der EU falsche Zitate in den Mund, um die eigene Utopie, eine Europäische Republik ohne Nationen, zu legitimieren. Sein Abgesang auf die Nation und den Nationalstaat ist auch in der Sache verfehlt.
RUMÄNIEN IM RAMPENLICHT
Dass Rumänien in der Europäischen Union turnusgemäß die Ratspräsidentschaft innehat, löst in der EU-Kommission und in manchen Redaktionen Unbehagen aus. Bukarest sollte das halbe Jahr nutzen, eines der gravierendsten Probleme, mit denen das Land konfrontiert ist, zu thematisieren: die Talentabwanderung.
PROKOPS STARKE JUNGS
Der Start in das weltmeisterliche Handballturnier ist der bundesdeutschen Mannschaft geglückt. Auch das Auftreten insgesamt überzeugt und auf dem Spielfeld wird nichts verschenkt. Längst ist die Begeisterung übergeschwappt.