Nr. 33 vom 10.8.2018

Nr. 33 vom 10.8.2018

Standpunkt

Ein Menschenrecht im Sturm
globalistischer Ideologie

Im Sommer 2005, genau zehn Jahre vor der jüngsten Zeitenwende der deutschen Geschichte, entstand bei Duncker & Humblot der Band „Das Recht auf die Heimat“, der sich aus staats- und völkerrechtlicher Perspektive mit dem Stand der Entwicklung dieses Rechts auseinandersetzte. Heute, 2018, lohnt es sich, den Band mit geschärftem Blick zur Hand zu nehmen. Der Freiburger Rechtswissenschaftler Professor Dr. Dietrich Murswiek, einer der beiden Herausgeber, stellte in seinem einleitenden Beitrag fest: „Mit der Heimat ist es wie mit vielen anderen Gütern auch: Ihre Bedeutung und ihren Wert erfahren viele Menschen erst durch den erlittenen oder den drohenden Verlust.“

„Existenz- und Identitätsrecht“

Die heutige Situation in Deutschland, wie auch in anderen Ländern, ist dadurch gekennzeichnet, dass es ein Bundesamt „für Migration“ gibt, dass es eine internationale Organisation „für Migration“ gibt, dass Eliten das Sagen haben, die Migration – möge sie schon aufgrund ihrer Dimensionen gewachsene Zusammenhänge noch so sehr in Mitleidenschaft ziehen – pauschal als etwas Positives bewertet wissen wollen und fördern. In dieser Lage werden selbst Mehrheitsbevölkerungen relativ großer Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland ähnlich schutzbedürftig, wie es bisher vor allem für Minderheiten auf fremdem Staatsgebiet galt. Daher ist in besagtem Sammelband nicht zuletzt der Beitrag „Die Südtirol-Autonomie als konkrete Ausformung des Rechts auf die Heimat“ von Interesse. Dessen Verfasser Professor Dr. Christoph Pan lehrte an der Universität Innsbruck Soziologie. Bei ihm liest man, dass das Recht auf die Heimat mehr ist als nur das Recht, nicht vertrieben zu werden. Das Recht auf die Heimat enthalte vielmehr „ein umfassendes Existenz- und Identitätsrecht“, wozu Pan „das Recht einer Volksgruppe, in ihrem angestammten Siedlungsgebiet in Freiheit die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu gestalten“, zählt, aber auch „das existenzielle Recht einer Volksgruppe auf Erhaltung und Entfaltung ihrer Identität“. Pan fügte hinzu, es verstehe sich von selbst, „dass das Recht auf die Heimat sowohl als Individualrecht als auch als Gruppenrecht ausgeübt werden kann“.

Gerade vor dem Hintergrund der individualrechtlichen Ausprägung des Rechts auf die Heimat ist es im Zeitalter der Migrationsideologie geboten, dieses Recht auch der Mitglieder bisheriger Mehrheitsgesellschaften (gelegentlich ist auch von der „Titularnation“ die Rede) stärker in den Mittelpunkt zu rücken und es in der Praxis zu achten. Was hilft es einem Deutschen etwa in Duisburg, dass er in einem Staat lebt, der das Wort Deutschland in seiner Bezeichnung führt?

Die aktuelle Aufgabe

Wenn Professor Pan ausführte, das Recht der Südtiroler auf die Heimat sei durch anhaltende Zuwanderung aus Italien „schwer beeinträchtigt“ worden (ein Satz, den der Deutsche Bundestag in Bezug etwa auf die tibetische Volksgruppe in der Volksrepublik China fraglos mit großer Mehrheit absegnen würde), kann für Deutsche in der Bundesrepublik kaum etwas anderes gelten, wo ihr Recht auf Erhaltung und Entfaltung ihrer Identität an der angestammten Stelle in Frage steht.

„Heimat“, so schrieb Dietrich Murswiek in seinem einleitenden Beitrag, „umfasst auch eine Beziehung zwischen dem Einzelnen und seiner sozialen Umgebung. Die Integration in eine Gruppe von Menschen, die am selben Ort leben, dieselbe Sprache sprechen und kulturell gleich geprägt sind, ist Bestandteil des Heimatbegriffs.“

Murswiek arbeitete damit heraus, dass Heimat die „durch soziale Verwurzelung geprägte Beziehung von Menschen zu einem bestimmten Raum“ ist. Dann ist aber auch klar, dass sich das Recht auf die Heimat auf mehrerlei Weise erschüttern, verletzen und zerstören lässt – nicht nur durch die Entfernung eines Menschen aus seiner Heimat, sondern auch durch die Entfernung dieser Heimat von dem Einzelnen. Die nötigen Schlussfolgerungen daraus vernehmlich zu artikulieren und dem Recht auf die Heimat, das unter dem Vorzeichen der herrschenden globalistischen Ideologie in einem Umfang gefährdet ist wie selten zuvor, Beachtung zu schaffen, ist eine der Aufgaben, die die Staats- und Völkerrechtswissenschaft jetzt zu bewältigen hat, wenn sie sich aktuellen Problemen und nicht, lediglich hinterhereilend, solchen der Vergangenheit widmen will.

Dass es sich dabei nicht um etwas Gestriges, sondern um eine Menschenrechtsaufgabe handelt, wird daran ersichtlich, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das „in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu einem gewohnheitsrechtlichen Prinzip erstarkt“ (Murswiek) ist, in beiden UN-Menschenrechtspakten an erster Stelle, nämlich in deren gleichlautenden Artikeln 1, auftaucht. Diese Verträge sind nur eine der völkerrechtlichen Verbürgungen des Rechts auf die Heimat, das ein Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts ist und das man demnach kaum hoch genug ansiedeln kann. Auch wenn es – gerade in seiner kulturellen Dimension – von der Merkel-Regierung offenbar als vernachlässigenswerte Größe betrachtet wird.

Ulrich Wenck

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 10. August 2018

ZERSCHLAGEN IST EINFACH

Wie sehr führende deutsche Politiker in der Falle des Kurzzeitdenkens gefangen sind, zeigt sich eindrucksvoll an der Abschaffung der Wehrpflicht (und damit auch des Zivildiensts) im Jahr 2011, an deren katastrophalen Folgen nicht nur für die Bundeswehr und an der nun aufgeflammten Debatte um ihre Wiedereinführung.

SÁNCHEZ-MACRON-MERKEL-PLAN

Frankreich, die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland als „Koalition der Willigen“: Zur „Lösung“ der Migrationsfrage, bei der Spanien mittlerweile im Fokus steht, schlägt Gerald Knaus (er war schon der Kopf hinter dem „Türkei-Deal“) von der Denkfabrik „Europäische Stabilitätsinitiative“ eine „Politik des moralischen Realismus“ vor. Was bedeutet das konkret?

SYRIEN: DER KREIS SCHLIESST SICH

In Daraa begannen einst die Unruhen in Syrien, die sich zu einem blutigen Krieg auswuchsen. Nun wurde die Stadt von der syrischen Regierungsarmee zurückerobert. Wodurch Hoffnungen auf eine Stabilisierung genährt werden und wie sich die Zukunft gestalten könnte.

FRIEDE MIT SCHALEM BEIGESCHMACK

Am 9. Juli unterzeichneten der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed und Eritreas Präsident Isayas Afewerki einen Friedens- und Freundschaftsvertrag. An der Annäherung der einst bitter verfeindeten Staaten hat nicht zuletzt Washington ein ausgewiesenes Interesse.

ABRECHNUNG MIT DER
SCHWIEGERMUTTER

#MeTwo: Ali Can, Student, Buchautor und „deutsch-türkischer Sozialaktivist“, hat auf Twitter eine Rassismusdebatte losgetreten, die mitunter bemerkenswerte Blüten treibt.

KLASSISCHE EIGENTORE

Die SPD im nordrhein-westfälischen Hagen bekommt Probleme mit zahlreichen neuen Mitgliedsanträgen, die Kulturredakteurin Ursula Mielke kommt vom Weg ab und ein 38-Jähriger hat Ärger in Berlin, weil er eine zerschnittene Deutschlandfahne öffentlich präsentierte.

MAHNUNG AUS DER VERGANGENHEIT

Im Dürrejahr 1540 blieb an vielen Orten in Europa für elf Monate der Regen aus. Die ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen waren dramatisch. Könnte sich dieses extreme Wetterereignis im laufenden Jahr wiederholen? Umwelthistoriker warnen.

NARZISS UND GOLDMUND
UND IHRE BRÜDER

Die Vorbereitungen zur Verfilmung von Hermann Hesses Erfolgsroman „Narziß und Goldmund“ laufen. 2020 soll der Streifen in die Kinos kommen. Grund genug, das Buch wieder zu lesen, in dem der Nobelpreisträger nach eigenem Bekunden seine „Idee von Deutschland und deutschem Wesen“ zum Ausdruck brachte.

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