Nr. 32 vom 3.8.2018

Nr. 32 vom 3.8.2018

Standpunkt

Ein glücklicher Mann

Man kann die „Özil-Affäre“ nach vielerlei Richtungen drehen und wenden, und von dieser Möglichkeit wird ja auch gerade eifrig Gebrauch gemacht. Aber der – vom „Spiegel“ über „Die Zeit“ bis zum Bundesaußenminister Maas – vorherrschende Tonfall tiefer Tragik ist dabei unangebracht.

Mesut Özil ist glücklich zu preisen: Der türkische Staatspräsident erwidert seine Zuneigung und lobt ihn als guten Patrioten; seine sympathisch auftretende Freundin ist „Miss Türkei“; er fühlt sich einer Nation verbunden, die kaum weiß, wohin mit ihrer Kraft, und die voraussichtlich noch in Hunderten von Jahren bestehen wird, und sie sich ihm. Und wenn er einmal Kinder haben wird, wird er sie aufgrund seiner offenbar starken Wurzeln und ungeachtet seiner Weltkarriere voraussichtlich so erziehen, dass auch sie wissen, wo diese Wurzeln liegen. Dabei ist er zwar vermögend (auch das kein Grund zum Mitleid), aber hat sich seine einfache Art bewahrt. Für das herzhafte Lachen beim Training von Arsenal London in Singapur vergangene Woche musste Özil sich also gewiss nicht verstellen.

Wenn jemand „ent-täuscht“ ist, dann können es nur diejenigen sein, die vorher in Täuschungen befangen waren. Die sich vor lauter „Integrieren“ nie dafür interessiert haben, was und wie die Objekte ihrer oft allzu oberflächlichen Bemühungen wirklich empfinden. Was ein Mesut Özil denkt und was er fühlt, kann und darf ihm niemand vorschreiben. Dass er als deutscher Staatsangehöriger bei entsprechenden Leistungen in der DFB-Elf spielen konnte, ergibt sich aus den einschlägigen Bestimmungen. Niemand hat ihm das streitig gemacht. Umgekehrt hat Özil sich nicht verstellt, sich nie der sonderbaren Forderung gebeugt, er, das Kind anatolischer Eltern, dem in Devrek, in der Heimat seiner Familie, die Mesut-Özil-Straße gewidmet ist, möge doch die deutsche Nationalhymne singen.

Die Vorstellung, ein Lied singen zu müssen, Werte propagieren zu sollen, die einem wenig bis nichts bedeuten – sie war vielen der jetzt Ent-täuschten nicht fremd. Özil hat einen anderen Weg gewählt, seinen Weg. Dass er, um sich der anhaltenden Kritik an seinem Erdoğan kurz vor der WM abgestatteten Besuch zu erwehren, schließlich die „Rassismus“-Karte spielte (beziehungsweise jemand ihm dies riet), war naheliegend. Damit konnte er sicher sein, dass ein Lamento über „Entfremdung“ und „Ablehnung“ losgehen würde, dass sich eine Kampagne wie jetzt „#MeTwo“ bilden würde, dass es nicht mehr um mögliche Fehler auf seiner Seite, sondern um die der anderen gehen würde. Dabei müsste jetzt vielmehr von Naivität, von Wunschdenken und von der unverantwortlichen Geringschätzung der unterschiedlichen Kulturen die Rede sein. Und davon, was das im Hinblick auf die aktuelle Merkel-Politik bedeutet.

UW

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 3. August 2018

„VERFASSUNGSFEINDE IN
UNSERER MITTE“

In der vergangenen Woche wurde der Verfassungsschutzbericht 2017 vorgestellt. WDR-Journalist Georg Restle kritisierte ihn als unvollständig – und liegt damit an sich nicht falsch. Denn nicht erfasst sind zum Beispiel Angriffe auf die Verfassung, die weder von „links“ noch „rechts“, sondern von oben ausgeführt werden.

ANGST VOR DER ZERSCHLAGUNG

Die Zukunft von ThyssenKrupp ist unklar. Was ist in Essen, dem traditionsreichen Stammsitz, passiert? Den Beginn heutiger Querelen und Turbulenzen kann man auf den September 2013 datieren, als der schwedische Finanzinvestor Cevian Capital bekanntgab, Anteile des Unternehmens erworben zu haben.

EUROPAS VERANTWORTUNG?

Europas Zukunft hängt eng mit der afrikanischen Auswanderung zusammen, wenn nicht gar von ihr ab. Migrationspolitische Strategien aber liefern afrikanische Regierungen nicht. Fachleute fordern im Interesse sowohl der Aufnahme- als auch der Herkunftsländer einen grundlegenden Perspektivenwechsel.

WIRD DIE BUNDESWEHR ZUR
SÖLDNERARMEE?

Die Neuausrichtung der Bundeswehr, die Karl-Theodor zu Guttenberg Ende 2010 unter der schwarz-gelben Koalition in die Wege leitete, hat die Streitkräfte in eine Schieflage gebracht. Jetzt zeigen sich die negativen Aussetzungen der Wehrpflicht mit voller Wucht.

EINE TEMPERAMENTSFRAGE?

Es handelte sich um eine mit Steuergeldern geförderte Veranstaltung. Fußball sollte gespielt werden, aber es flogen Fäuste. Wie es dazu kam, dass auf dem Hauptmarkt in Zwickau Migrantengruppen aufeinander einprügelten.

BEGRÜSSENSWERTES URTEIL

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass durch Mutagenese gewonnene Organismen als „Genetisch veränderte Organismen“ (GVO) anzusehen sind und damit grundsätzlich den in der GVO-Richtlinie der EU vorgesehenen Verpflichtungen unterliegen. Daraus ergeben sich strenge Auflagen für neue Gentechnik-Verfahren.

KEINE „KRIMINELLE VEREINIGUNG“

Im Umgang mit Opposition bewährt sich der Rechtsstaat. Was die rechtlichen Sicherungen in der Republik Österreich in dieser Hinsicht zu leisten vermögen, zeigte sich in bemerkenswerter Weise beim vergangene Woche zu Ende gegangenen Prozess gegen die „Identitäre Bewegung Österreich“ vor dem Grazer Straflandesgericht.

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