Nr. 24 vom 8.6.2018

Nr. 24 vom 8.6.2018

Standpunkt

„Regierung des Wandels“

Trotz einer Woche härtester Attacken aus den Reihen des internationalen Establishments, Finanzmanöver an den Börsen und Mediendruck inklusive, konnte sich in Italien unter dem Ministerpräsidenten Giuseppe Conte die Koalitionsregierung von Fünf-Sterne-Bewegung und Lega bilden. Die vom Präsidenten der Republik, Sergio Mattarella, gewollte Regierung Cottarelli erwies sich als Totgeburt. Nur der Partito Democratico hatte anfangs angekündigt, eine solche Übergangsregierung unterstützen zu wollen. Cottarelli brachen schließlich sogar die Personen weg, die er als Minister vorgesehen hatte und die ihre bisherigen Positionen nicht aufs Spiel setzen wollten.

Mattarella musste also Di Maio und Salvini beknien, auf Neuwahlen zu verzichten und es noch einmal zu versuchen. Dabei verlangte er lediglich die Verlegung von Paolo Savona vom Wirtschaftsministerium auf ein anderes Ressort. Di Maio und Salvini bewiesen Sinn für Verantwortung und beschlossen, ihre „Regierung des Wandels“ auf die Beine zu stellen. Was diese vor sich hat, ist nicht einfach – betrachtet man die Feindseligkeit ihrer mächtigen Gegner –, aber die Hoffnungen sind groß. Die Regierung Conte verfügt über die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament, sie kann sich auf die Abgeordneten der Fünf-Sterne-Bewegung, der Lega, auf einige Parlamentarier des „gruppo misto“ und wahrscheinlich auf viele, die von der Forza Italia zur Lega übergehen werden, stützen.

Paolo Savona, den Mattarella zunächst zum Anlass für sein Veto genommen hatte, ist nun Minister für europäische Angelegenheiten im Kabinett Conte geworden. Tatsächlich ist Savona, Jahrgang 1936, Ritter des Großkreuzes des Verdienstordens der Republik Italien, Universitätsprofessor, ehemals Direktor der Confindustria und Präsident zahlreicher Industrievereinigungen sowie der Banca di Roma, 1993/1994 Minister für Industrie, Handel und Handwerk in der Regierung von Carlo Azeglio Ciampi, dessen Vorzeigeökonom Savona war, kein Rebell. Aber auf dem Höhepunkt seiner Karriere und seiner wissenschaftlichen Forschung wurde er sich darüber klar, dass der Eintritt Italiens in den Euro für die italienische Wirtschaft einen schweren Schaden bedeutet. Deshalb wurde Savona in den Augen des Establishments plötzlich zu einem „antieuropäischen“ Monster.

Von den 19 Mitgliedern der Regierung Conte gehören acht der Fünf-Sterne-Bewegung und fünf der Lega an, die auch den Staatssekretär beim Ministerpräsidenten stellt. Ministerpräsident Conte ist einer der sechs Parteilosen, kommt aber aus dem Lager der Fünf-Sterne-Bewegung.

In einem vielbeachteten Interview, das Matteo Salvini am 4. Juni dem Sender RTL 102.5 gab, bekräftigte der neue Innenminister: „Italien kann nicht in ein Flüchtlingslager umgewandelt werden. Wir werden daran arbeiten, unsere Nachbarn zu sensibilisieren.“ Er wolle den Italienern wieder zu mehr Sicherheit verhelfen, aber auch das Leben von Migranten retten: „Je mehr Menschen aufbrechen, desto mehr riskieren ihr Leben.“ Man werde versuchen, die Migration zu begrenzen, „im Interesse dieser Menschen und im Interesse der Italiener“.

Für Putin empfinde er Achtung, habe dieser doch viel für sein Volk getan. Die italienische Wirtschaft könne von guten Beziehungen zu Russland nur profitieren. Nicht Russland, sondern der islamistische Terror sei derzeit der Feind. Den Vorwurf von George Soros, die neue italienische Regierung weise eine zu große Nähe zu Russland auf, wies Salvini zurück. Soros sei „ein Spekulant, der vor 20 Jahren eines der größten wirtschaftlichen Desaster der italienischen Geschichte herbeigeführt hat“.

Fragen zu seiner Haltung zu Merkel wich Salvini aus; er kündigte stattdessen in diesem Zusammenhang das Nein der italienischen Delegation zu dem auf dem EU-Migrationsgipfel in Luxemburg am 5. Juni zur Diskussion gestellten Papier an, das Italien weiter bestrafen würde. Trotz aller Unkenrufe ein sowohl selbstbewusster als auch nicht ungeschickter Einstand.

Dott. Angelo Fedeli

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 8. Juni 2018

DEN FOKUS AUF DIE
VERANTWORTLICHEN

Die Vorgänge im BAMF verweisen auf die größeren Linien in der Migrationskrise. Ein BAMF-Untersuchungsausschuss, der nur Teilaspekte aufarbeiten kann, genügt nicht. Denn letztlich war es Merkels bis heute nicht revidierte Entscheidung zur pauschalen und massenhaften Einreisegestattung, die das Land, seine Verwaltung und Behörden zwangsläufig lähmen musste.

NOTWENDIGKEIT UND TAKTIK

Wenige Monate vor der bayerischen Landtagswahl, bei der der CSU durch eine in den Umfragen auftrumpfende AfD der Verlust der absoluten Mehrheit droht, steht der CSU-Vorsitzende und Innenminister Horst Seehofer unter großem Zugzwang. Was er sich von sogenannten Ankerzentren verspricht.

WARNUNG VOR EU-HAFTUNGSUNION

Obwohl zuletzt 154 deutsche Wirtschaftsprofessoren mit einer eindeutigen Warnung – „Der Euro darf nicht in die Haftungsunion führen!“ – an die Öffentlichkeit getreten sind, kündigt Kanzlerin Merkel an, den finanzpolitischen EU-Reformvorschlägen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker weit entgegenzukommen.

DAS GESETZ DER GROSSEN ZAHLEN

Angesichts des Bevölkerungswachstums Afrikas sieht der Journalist und Afrikawissenschaftler Stephen Smith für die nächsten Jahrzehnte einen enormen Migrationsdruck voraus, auf den Europa reagieren muss. Er stellt dabei klar: Millioneneinwanderung ist keine Lösung – weder für den „alten Kontinent“ noch für Afrika.

KONTUREN EINER WELTWIRTSCHAFT

Es war ein kluger Schachzug des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping, sich auf die sagen- und mythenumwobene Seidenstraße zu berufen, als er vor fünf Jahren den Beginn der „Belt and Road“-Initiative verkündete. Mittlerweile heißt sie „One Belt, One Road“ und ist das größte Infrastrukturprojekt der Weltgeschichte.

INDOKTRINATION STATT BILDUNG?

Wie an bundesdeutschen Schulen Lehrkräfte nicht selten offensiv gegen die AfD agieren, verstößt nicht nur nach Auffassung der Partei gegen das Neutralitätsgebot.

DER WAHRE ZUSTAND
DER BUNDESWEHR

Der Bundesrechnungshof hat in einem Bericht an den Haushaltsausschuss Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vorgeworfen, das Parlament über die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr falsch informiert zu haben. Die fällt nach Einschätzung des Reservistenmagazins „Loyal“ „sehr bedingt“ aus. Welche Konsequenzen sollten daraus gezogen werden?

IN RUSSLAND ROLLT DER BALL

Am 14. Juni wird um 17 Uhr im Moskauer Luschniki-Stadion das Eröffnungsspiel der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft angepfiffen. Dabei trifft Gastgeber Russland auf Saudi-Arabien. Anschließend ringen bis zum 15. Juli die 32 teilnehmenden Mannschaften in elf Stadien um den Titel. Geschichten und Anekdoten um das größte Sportereignis der Welt.

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