Nr. 21 vom 17.5.2019

Nr. 21 vom 17.5.2019

Standpunkt

Umbau zum Imperium?

Guy Verhofstadt, Vorsitzender der Fraktion der „Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa“ (ALDE) im Straßburger Parlament, ist auch Chefunterhändler des Europäischen Parlaments für die Brexit-Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich. Eine Kostprobe seiner wenig europäischen, gegenüber Völkern und Bürgern respektlosen Gesinnung gab der angeblich „Liberale“ bei der Spitzenkandidatendiskussion zur Europawahl, die am 2. Mai 2019 in Florenz stattfand. Dort behauptete er nicht nur, jedermann in der EU sage: „Wir sind nicht so dumm wie die Briten“, sondern Verhofstadt setzte in seinem Schlusswort auch seine Sichtweise in imperialen Kategorien auseinander: „Wir leben in einer neuen Weltordnung.“ Diese sei „keine Ordnung der Nationalstaaten, sondern eine der Imperien“. Deshalb will Verhofstadt aus der „Konföderation der Nationalstaaten“, die die EU noch immer sei, nun eine „wirkliche Europäische Union“ machen. Und so gehe es in der nächsten Legislaturperiode des Europäischen Parlaments nicht darum, kleine Änderungen vorzunehmen, sondern darum, in diesem „Zeitfenster von fünf Jahren“ das Wesen und den Charakter der EU grundlegend zu verändern. Selten ist deutlicher zum Ausdruck gebracht worden, dass sich hinter der Formel „Mehr Europa“ der endgültige Umbau der EU zu einem Imperium verbirgt.

EU-Ratspräsident Donald Tusk meint nun, wie er der in Warschau erscheinenden Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ sagte, es bestehe seines Erachtens eine Chance von 20 bis 30 Prozent, dass es nicht zum Brexit komme. Seine Hoffnungen setzt Tusk auf ein zweites Referendum. Dabei hat er im Februar selbst mit seiner ebenso unbeholfen vorgetragenen wie arroganten Äußerung über einen „speziellen Platz in der Hölle“ für die Brexiteers nicht gerade zur Popularisierung Brüssels bei den Briten beigetragen.

Denjenigen, die sich eine Entwicklung der EU nicht in Richtung eines den Willen der ihr angehörenden Völker missachtenden Imperiums, sondern zu einem Europa der Vaterländer wünschen, kann es nur recht sein, wenn die freiheitsliebenden Briten doch in der EU bleiben und dann dazu beizutragen, sie von innen zu reformieren. Bei der bevorstehenden Europawahl kommt es nun darauf an, jene politischen Strömungen zu stärken, die für die freiheitliche Vision einer EU eintreten, in der die Völker das Recht auf Selbstbestimmung genießen. „Kraft dieses Rechts“, besagen die beiden Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen, „entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung“. Das ist geltendes Völkerrecht, also internationales Recht, welches nicht umsonst nicht Recht der Imperien oder interimperiales Recht heißt.

Ulrich Wenck

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 17. Mai 2019

KEIN HARMLOSER QUATSCH

Die Rechtsprechung lehrt, dass Angaben ins Blaue hinein genauso als Täuschung zu qualifizieren sind wie bewusst wahrheitswidrige Aussagen. Und so können sich Medien, die ihr Publikum mit unrichtigen Angaben versehen, wobei es ihnen egal ist, was stimmt, nicht auf ein Recht auf Unsinn berufen. Erst recht dann nicht, wenn es darum geht, die einseitige Beeinträchtigung einer Partei legitim erscheinen zu lassen.

HARTE ZEITEN FÜR DIE TORIES

Fast drei Jahre nach dem Brexit-Referendum nimmt Großbritannien an der Europawahl teil. Für Theresa Mays Partei gerät die Handhabung des demokratisch beschlossenen Austritts zum Desaster. Ihre Tories werden große Verluste hinnehmen müssen, während Nigel Farage und seiner Brexit-Partei ein Erdrutschsieg vorausgesagt wird.

ANSICHTEN EINES CDU-AUSSENSEITERS

Ein Vortrag von Hans-Georg Maaßen vor dem „Berliner Kreis“ der CDU am vergangenen Samstag hatte im Vorfeld für parteiinterne Aufregung gesorgt. Im Fraktionssaal der Union durfte er letztlich nicht sprechen. Das zeigt, wie unrealistisch der Wunsch des Ex-Verfassungsschutzpräsidenten nach einem Kurswechsel der Partei ist.

ESKALATION IN NAHOST

Warum ein Krieg – den der Iran nicht gewinnen kann – nicht mehr auszuschließen ist und wie sehr neokonservative „Falken“ in den Vereinigten Staaten auf eine Eskalation erpicht sind.

ERWACHT DER SCHLAFENDE RIESE?

Indien ist dabei, sich zur zweiten asiatischen Wirtschaftsmacht neben China zu entwickeln. Insofern blickt die Welt sehr gespannt auf die indischen Parlamentswahlen, bei denen es um wichtige Richtungsentscheidungen geht. Kann Premierminister Narendra Modi seinen Kurs fortsetzen?

EIN ZUNEHMENDES PROBLEM

In die Debatte um den Familiennachzug für Migranten schaltete sich unlängst die Sozialwissenschaftlerin und Publizistin Necla Kelek ein. Die Istanbulerin, die seit Mitte der sechziger Jahre in Deutschland lebt, äußerte scharfe Kritik am Nachzug von Zweit- und Drittfrauen von Muslimen.

SCHRUMPFENDE VIELFALT

Der sorglose Umgang mit der Ressource Biodiversität hat fatale Folgen. Rund eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Mehr als 40 Prozent der Amphibienarten, fast 33 Prozent der riffbildenden Korallen und mehr als ein Drittel aller Meeressäugetiere könnten demnach schon in den nächsten Jahrzehnten aussterben.

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