Nr. 17 vom 19.4.2019

Nr. 17 vom 19.4.2019

Standpunkt

Greta wäre enttäuscht

Die Freitagsdemonstrationen polarisieren. An der Integrität der Urheberin des „Skolstrejk för klimatet“, der Schwedin Greta Thunberg, 16, zu zweifeln, gibt es keinen Anlass. Sie hat sich festgelegt. Entwaffnend offen geht sie mit dem bei ihr festgestellten Asperger-Syndrom um und sagt: „Es ist sehr üblich, dass Menschen im Autismus-Spektrum ein besonderes Interesse haben.“ Anders zu handeln als zu sprechen, die Ursünde unechten Umweltschutzes, dürfte für sie nicht in Betracht kommen. Doch regional zu leben und zu wirtschaften, um einer globalen Verantwortung gerecht zu werden – dieses Konzept muss Vordenkern der Parforce-Globalisierung gefährlich erscheinen. Auch Thunbergs Aprilscherz zeigte, dass sie, die im Unterschied zu vielen „Grünen“-Politikern tatsächlich die Eisenbahn nimmt, für die Mächtigen nicht ohne weiteres integrierbar ist: Nachdem sie „mit so vielen unserer Politiker gesprochen habe“, sei ihr klar geworden, dass diese die notwendigen Maßnahmen ergriffen …

Eine andere Frage ist leider, wie es sich mit durchschnittlichen Teilnehmern der von ihr initiierten Demonstrationen verhält. Die „taz“ meinte in ihrer Ausgabe vom 13. April, diese Schüler seien „radikal bis zum Gehtnichtmehr“. Fragt man jedoch Teilnehmer schlicht, wohin sie denn in den Ferien „fahren“, erlebt man viele Überraschungen. Der junge Mann zum Beispiel, der das Plakat „Wir brauchen keine Kohle, wir sind eh schon heiß genug!“ in der Münchner S-Bahn zur Demo brachte, die am 12. April auf dem Marienplatz stattfand, bekundete, dass er nach Thailand fliegen werde. Darauf angesprochen, dass ein solcher Langstreckenflug deutlich mehr Kohlendioxid-Ausstoß verursache (nämlich pro Person hin und zurück, selbst ohne Zwischenlandung, insgesamt über fünf Tonnen), als ein Inder im ganzen Jahr hervorrufe, meinte er: „Es geht doch jetzt erst einmal darum, Bewusstsein zu bilden.“ Greta wäre enttäuscht. Auch wenn sie Wilhelm Busch vielleicht nicht kennt, dürfte sie seine Maxime teilen: „Das Gute, dieser Satz steht fest, ist stets das Böse, das man lässt.“

Ulrich Wenck

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 19. April 2019

CHANCE AUF EINE NEUAUSRICHTUNG

Erste Beobachter erkennen, dass sich der anbahnende Erfolg von Kritikern der Ausrichtung der Europäischen Union auch belebend auswirken kann, sozusagen als Weckruf. Tatsächlich tritt das in Mailand ausgerufene Bündnis um Lega und AfD an, die EU an „Haupt und Gliedern“ zu reformieren.

BREXIT: WOZU DIE ERNIEDRIGUNG?

Nicht nur den Cambridge-Historiker Professor Robert Tombs bewegt mit Blick auf den Brexit die Frage: „Kann eine ganze Nation erniedrigt werden?“ Aus der Sicht vieler Briten sind es nicht zuletzt die Zwingherren von der EU, die Theresa May nicht aus ihrer misslichen Lage entlassen. Die Festlegung auf einen Brexit „nur mit Deal“ hat ihre Verhandlungsposition unnötig geschwächt.

FRANKREICHS KIRCHEN

In Frankreich wurden zuletzt bis zu zwei Kirchen täglich attackiert. Die Tragödie von Notre-Dame, dem meistbesuchten historischen Bauwerk Europas, lenkt nun den Blick auf das ganze Spektrum der Gefahren, die für die Gotteshäuser bestehen.

US-STRATEGE ODER EHRLICHER
MAKLER?

Anfang dieses Monats trat der neue Weltbankpräsident David Malpass den Dienst an. Sein Vorgänger Jim Yong Kim hatte im Januar überraschend angekündigt, drei Jahre vor dem Ende der Amtsperiode den Stuhl in Washington zu räumen. Was ist von Malpass, der früher nicht mit Kritik an der Finanzinstitution gespart hatte, zu halten?

ENTSCHEIDUNG IN TRIPOLIS

Der frühere Gaddafi-General Chalifa Haftar liefert sich mit Truppen der international anerkannten libyschen Regierung eine Schlacht um die Hauptstadt und greift nach der Vorherrschaft in der Region. Das verdient einen genaueren Blick, denn was in Libyen passiert, hat starke Auswirkungen auch auf Europa.

SCHWEIGEN ALS ZUSTIMMUNG?

Eine Organabgabepflicht, soweit kein Veto erhoben wurde? Die Pläne von CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn werden immer hitziger diskutiert. Was in der Organspende-Debatte zu kurz kommt, wer Einspruch erhebt und welche Regeln anderswo gelten.

RÜGEN UND MISSBILLIGUNGEN

Mehr als zweitausend Personen haben sich im vergangenen Jahr mit Beschwerden an die Freiwillige Selbstkontrolle der Presse gewandt. Das ist der zweithöchste Stand in der langen Geschichte des Presserats, der 1956 ins Leben gerufen wurde. Was den Menschen auf den Nägeln brennt.

„DIE DREI KREUZE“

Es ist die Todesstunde Jesu, auf Golgatha ist tiefe Nacht hereingebrochen. Ein ungeheurer Lichteinbruch erhellt alle Umstehenden. Doch wer sind die beiden auf dem Bild durch Größe und Deutlichkeit besonders hervorgehobenen Männer, die vom Kreuz weg nach vorne laufen und sich erregt besprechen? Pfarrer Fischer interpretiert Rembrandts berühmte Radierung von 1653 auf neue Weise.

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