Nr. 16 vom 12.4.2019

Nr. 16 vom 12.4.2019

Standpunkt

Aus der Mottenkiste des Kalten Krieges

Wenn „Der Spiegel“ sein Titelbild in die AfD-Farben taucht, geht es erfahrungsgemäß darum, der Partei irgendetwas um die Ohren zu hauen. Ist der Kritikpunkt klein, kann man ihn ja entsprechend unter die Lupe halten. Und so wurden die Vorwürfe gegen den Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier, Jahrgang 1991, zur Titelgeschichte „Putins Puppen – Wie der Kreml die Rechtspartei für seine Zwecke benutzt“ erhoben. Im Inhaltsverzeichnis ist nur noch die Rede davon, wie Russland „versucht, sich die AfD für seine Interessen zunutze zu machen“. Im Beitrag wird es dann noch konkreter; „im Mittelpunkt“ stehe „ein junger Bundestagsabgeordneter“. Einer von 91 AfD-Parlamentariern in Berlin. Material erhielten der „Spiegel“ und weitere Medien vorwiegend vom „Dossier Center“ in London, das von dem Oligarchen Michail Chodorkowski, Putins Intimfeind, finanziert wird.

Das Prunkstück des Beitrags ist ein Strategiepapier von 2017, „das aus der russischen Duma an die höchste Führungsebene der Präsidialverwaltung verschickt wurde“. Die Verfasser des Dokuments machten, schreibt das Hamburger Magazin, „kein Hehl daraus, wie sie den heute 28-jährigen Politneuling [gemeint ist Frohnmaier] sehen: als nützlichen Idioten“.

„Nützliche Idioten Moskaus“, „nützliche Idioten des Kremls“ – die Liste derjenigen, denen dieses durch übermäßigen Gebrauch lächerlich gewordene Etikett angehängt wurde, ist lang. Die ganze Friedensbewegung gehört dazu. Es jetzt wieder hervorzuholen, ist umso abwegiger, als die Sowjetunion 1991 untergegangen ist und die NATO sich weit in den Raum des damals ebenfalls von der Bildfläche abgetretenen Warschauer Pakts vorgeschoben hat.

Wie, bitteschön, lauteten wohl interne Einschätzungen in sowjetischen Papieren, wenn etwa ein Politiker wie Egon Bahr seine „Back Channels“ ins Sowjetreich bahnte? Natürlich versprach sich der Kreml davon Vorteile.

Und wie mag man in Washington über deutsche Politiker denken, die der US-Lobbyorganisation „Atlantik-Brücke“ angehören? Zum Beispiel über Karl-Theodor zu Guttenberg, der im Februar 2010 nicht als einfacher Bundestagsabgeordneter, sondern als Bundesverteidigungsminister seinen Kabinettskollegen Außenminister Guido Westerwelle beim damaligen US-Botschafter Murphy als „größtes Hindernis“ für eine umfangreiche deutsche Truppenerhöhung in Afghanistan anschwärzte.

Als das durch WikiLeaks ans Licht kam, spielte es in Medien kaum eine Rolle. Guttenberg musste erst wegen seiner „Doktorarbeit“ abtreten. Danach bekam er eine Rolle als „Distinguished Statesman“ beim eng mit der CIA verknüpften „Center for Strategic and International Studies“ (CSIS). Aber berechtigte ein solcher Fall – auch wenn er um ein Vielfaches bedeutender ist als die Angelegenheit Frohnmaier – dazu, die C-Parteien pauschal als „Washingtons Marionetten“ zu bezeichnen?

Ulrich Wenck

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 12. April 2019

„EUROPA DES GESUNDEN
MENSCHENVERSTANDS“

Die Vertreter von vier europäischen Parteien – „Die Finnen“, AfD, Lega und Dänische Volkspartei – haben bekanntgegeben, nach den Europawahlen eine gemeinsame Fraktion im Europaparlament bilden zu wollen. Weitere Partner werden erwartet. Welche Wirkung kann die neue Allianz entfalten?

„WIR MÜSSEN DEN BREXIT LIEFERN“

Premierministerin Theresa May hat betont, dass die Umsetzung des Brexit-Wunsches nicht nur Pflicht des Parlaments sei, sondern darüber hinaus „die wichtigste Angelegenheit für uns“. Laut den jüngsten Meinungsumfragen liegt die vielgeprüfte Regierungschefin in diesem zentralen Punkt richtig.

VENEZUELA IM BRENNPUNKT

Das Ringen um die Macht in Venezuela ist Teil der Konkurrenz um geopolitische Einflusssphären. Während Russland, China, die Türkei und Syrien Präsident Nicolás Maduro unterstützen, beharrt Washington nach wie vor auf einem „Regime Change“.

UNGARNS BOTSCHAFTER

Wie Peter Györkös, außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter Ungarns in der Bundesrepublik, Vorwürfe gegen sein Land pariert und begründet, dass Budapests Migrationspolitik auch im Sinne Deutschlands ist.

DIE SPALTUNG GEHT WEITER

Auch im dritten Wahlgang erreichte AfD-Kandidatin Mariana Harder-Kühnel nicht die erforderliche Mehrheit, um einen der Vizeposten im Bundestagspräsidium zu erhalten. Die Repräsentanz in diesem wichtigen Gremium aber steht der stärksten Oppositionskraft im Bundestag zu. Welche Folgen hat die ausbleibende Gleichbehandlung?

EUROPAS IDENTITÄT BEWAHREN

Kurienkardinal Robert Sarah aus Guinea beschreibt in seinem neuen Interviewbuch seine großen Sorgen um das Abendland. Die Wurzeln für einen drohenden Zerfall sieht er in einer Identitäts- und Kulturkrise. Der afrikanische Geistliche ist davon überzeugt, dass grenzenlose Migration nicht in Gottes Sinne ist.

„DIE TRAUT SICH WAS“

Katrin Huß, vormals prägnantes Gesicht des Mitteldeutschen Rundfunks, hat vor einiger Zeit ihre mediale Karriere beendet, weil sie sich als Journalistin nicht länger von ihren Vorgesetzten politisch gängeln lassen wollte. Das nehmen ihr manche Leute bis heute übel.

VORFREUDE AUF DIE „REIWA“-ÄRA

Japan kennt derzeit eigentlich nur ein Thema, nämlich den Übergang von der Ära „Heisei“ („Frieden überall“) Kaiser Akihitos, der am 30. April abdanken wird, zur Epoche „Reiwa“ („glückbringend und friedlich“ oder auch nur „Harmonie“) des neuen Tennō Naruhito, der am 1. Mai den Chrysanthementhron besteigt. Einblicke in die jahrtausendealte japanische Kaisertradition.

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