Nr. 14 vom 29.3.2019

Nr. 14 vom 29.3.2019

Standpunkt

Di-Fabio-Gutachten, Nichtzurückweisung
an der Grenze und Asylkosten

Die Ministerpräsidenten und Vertreter der Kommunen sind empört, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) den Bundeszuschuss für die Asylkosten reduzieren will. Bemerkenswerterweise kommt es etablierten Politikern auch auf Landes- und Kommunalebene aber nicht in den Sinn, die naheliegende Variante einzufordern, zur Zurückweisung von über sichere Drittstaaten anreisenden Asylmigranten an der Bundesgrenze gemäß § 18 Absatz 2 Nr. 1 Asylgesetz überzugehen. Dabei steht im Gutachten „Migrationskrise als föderales Verfassungsproblem“, das der frühere Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio 2016 im Auftrag des Freistaats Bayern abgab, wie die Themen Asylkosten und Grenzsicherung auch rechtlich miteinander verschränkt sind. Auf den Seiten 43 f. des Gutachtens liest man:

„Nur ein – allerdings signifikantes – Beispiel ist § 44 Asylgesetz, der die Länder verpflichtet, für die Unterbringung Asylbegehrender die dazu erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten sowie entsprechend ihrer Aufnahmequote die im Hinblick auf den monatlichen Zugang Asylbegehrender in den Aufnahmeeinrichtungen notwendige Zahl von Unterbringungsplätzen bereitzustellen. Eine solche Rechtspflicht kann mit den Mitteln eines Landes nur dann korrekt erfüllt (und kann einem Land auch nur dann aufgegeben) werden, wenn der Bund seinerseits die gesetzlich vorgesehene Einreise wirksam kontrolliert und von der gesetzlich vorgesehenen Zurückweisung Gebrauch macht.“

Und auf den Seiten 93 f. des Gutachtens von Di Fabio steht: „§ 15 Aufenthaltsgesetz verpflichtet die zuständige Behörde, einen Ausländer, der unerlaubt einreisen will, an der Grenze zurückzuweisen. Auch § 18 Asyl(verfahrens)gesetz verpflichtet die Grenzbehörden ohne Einräumung eines Ermessens, Ausländern die Einreise zu verweigern, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat einreisen oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird. Diese Vorschrift kann durch Ministeranordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 AsylVfG praktisch außer Kraft gesetzt werden.“ Doch: „Solche dispensiven Entscheidungen sind ihrer Natur nach auf überschaubare und beherrschbare Fälle oder allenfalls situativ zeitlich oder örtlich begrenzt erlaubt.“

Solange die Merkel-Regierung mit Zähnen und Klauen daran festhält, dass über sichere Drittstaaten anreisende Asylmigranten an der Bundesgrenze nicht zurückgewiesen werden, kann sie also schlecht Länder und Gemeinden die Zeche zahlen lassen.

Warum aber wird der Zusammenhang zwischen der seit Wiedereinführung von „Grenzkontrollen“ am 13. September 2015 durch den Bund praktizierten Nichtzurückweisung an der Grenze und den daraus folgenden Belastungen für Länder und Kommunen von offizieller Seite nicht thematisiert, obwohl Udo Di Fabio in seinem Gutachten darauf hingewiesen hat?

Die CSU jedenfalls hat allen Widerstand gegen Merkels Politik der offenen deutschen Bundesgrenze eingestellt. Das seinerzeit von Horst Seehofer in Auftrag gegebene Di-Fabio-Gutachten rührt nun geradezu an ein Tabu, da CSU und CDU erstmals mit einem gemeinsamen Wahlprogramm zur Europawahl antreten. Damit hat sich auch in der bayerischen C-Partei der Merkel-Kurs durchgesetzt, für den Manfred Weber steht, der als Spitzenkandidat beider Parteien fungiert, aber nur im Freistaat, auf der CSU-Liste, zur Europawahl wählbar ist.

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 29. März 2019

AUSHANDELN, WEM DIE STADT
GEHÖRT

Innerhalb weniger Tage sorgten in Berlin und Frankfurt „Fantreffen“ sogenannter YouTuber mit hunderten Heranwachsenden, meist mit Migrationshintergrund, für Polizeieinsätze und bundesweite Schlagzeilen. Was steckt dahinter? Inwieweit sind diese im öffentlichen Raum auf Kosten der Allgemeinheit ausgetragenen Fehden ein Vorbote für das, was Deutschland erwartet?

SENKRECHTSTARTER ZWISCHEN
POLITIK UND PHILOSOPHIE

Thierry Baudet ist mit seiner jungen Partei Forum voor Democratie überraschender Sieger der niederländischen Provinzialwahlen geworden. Auch der der Senat in Den Haag kommt nun nicht mehr an ihm vorbei. Kann der konservative Historiker und Jurist, der seine Auftritte gerne philosophisch würzt, den Erfolg bei den Europawahlen wiederholen?

DIE LUFT DER FREIHEIT WEHT
NICHT MEHR

Wie kaum ein anderer Teil der Gesellschaft ist der akademische Betrieb auf Diversität angewiesen, nämlich auf eine echte Diversität der Gebiete, Themenzugänge und auch Meinungen. Diese für die Wissenschaft lebenswichtige Vielfalt geht immer mehr verloren. Über die Gründe dafür hat sich jetzt der britische Historiker Niall Ferguson ausführlich geäußert.

DURCHBRUCH ODER AKTIONISMUS?

Ärztemangel, Pflegenotstand, Kassenleistungen, Organspenden: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn beackert seit Amtsübernahme viele Baustellen. Doch längst nicht alle Maßnahmen, die der CDU-Politiker ergriffen oder angekündigt hat, stoßen bei Fachleuten auf Unterstützung.

UNDEMOKRATISCHES RÄNKESPIEL

Eineinhalb Jahre nach der Bundestagswahl ist das Bundestagspräsidium noch immer unvollständig, weil der AfD der ihr zustehende Vizeposten vorenthalten wird. Das verstößt gegen, Geschäftsordnung, parlamentarische Gepflogenheiten und Verfassung. Wenn AfD-Kandidatin Mariana Harder-Kühnel sich Anfang April zum dritten Mal zur Wahl stellt, steht auch die Glaubwürdigkeit der übrigen Parteien auf dem Spiel.

AUFSCHWUNG DURCH GELBWESTEN

Emmanuel Macron hat die Unzufriedenheit vieler Franzosen, die sich in die Proteste der Gilets Jaunes ergießt, mit seinen Bürgergesprächen nicht endgültig abstellen können. Gleichzeitig profitiert Frankreichs Wirtschaft von den Zugeständnissen, die die Gelbwesten dem Präsidenten abgerungen haben.

RÜCKKEHR EINES GLÜCKSBOTEN

Dass die Zahl der Kranichbrutpaare in Deutschland eine fünfstellige Höhe erreicht hat, ist ein Erfolg des Artenschutzes und darüber hinaus ein schönes Zeichen. Denn der Vogel ist in vielen Kulturen ein Symbol für Schönheit und Glück.

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