Nr. 12 vom 15.3.2019

Nr. 12 vom 15.3.2019

Standpunkt

Mehr Adenauer!

70 Jahre Bundesrepublik Deutschland – das Jubiläum steht vor der Tür. Seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 trägt der 1867 als „Norddeutscher Bund“ aus der Taufe gehobene und dann durch den Beitritt süddeutscher Staaten zum „Deutschen Reich“ erweiterte Staat unter Wahrung der rechtlichen Identität seinen heutigen Namen. Doch für nicht wenige Mainstream-Journalisten ist der bevorstehende Jahrestag kein Hindernis, ihrer Aggression gegen die junge Bundesrepublik freien Lauf zu lassen. Dabei vergreift man sich auch – pars pro toto – an Konrad Adenauer, dem Bundeskanzler von 1949 bis 1963. Schon am 1. September 1948 war Adenauer zum Präsidenten des Parlamentarischen Rates gewählt worden, der das Grundgesetz schuf.

Im „Morning Briefing“ des „Spiegel“ vom 4. März 2019 dachte Markus Feldenkirchen vom „Hauptstadtbüro“ des Magazins über „das Problem“ des Karnevals in dieser Saison nach. Dann sprach er eine Empfehlung für den Büttenredner Bernd Stelter (der sich über Doppelnamen ausließ) und die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer aus (die sich mit „Toiletten fürs dritte Geschlecht“ befasste): „Bernd Stelter und Annegret Kramp-Karrenbauer benötigen dringend bessere Gag-Schreiber, sollten sie beabsichtigen, ihre Karriere als Büttenredner fortzusetzen. Weniger Adenauerwitz würde ihren Auftritten guttun.“

Adenauerwitz? Was meint Feldenkirchen, Jahrgang 1975, damit? Er verweist in seiner Vita immerhin auf ein „Studium der Politikwissenschaften, Geschichte und Literaturwissenschaften an der Universität Bonn und der New York University“.

Ein Adenauerwitz dreht sich um die Persönlichkeit des ersten Bundeskanzlers – und solche Witze hatten zwar noch über den Tod des „Alten“ im Jahr 1967 hinaus Konjunktur, sind aber inzwischen eher rar. Das kann Feldenkirchen folglich kaum im Sinn gehabt haben.

Dachte er also an Scherze von der Art, wie Adenauer selbst sie machte? Etwa, als der Kanzler am ersten Tag seines Moskau-Besuchs, dem 8. September 1955, Nikolai Bulganin am Arm nahm, ihn zu den Fotografen zog und dabei bemerkte, diese seien „ja doch in unserer Zeit die wahren Diktatoren“. Wohl auch nicht. Eine solche Bemerkung gegenüber einem sowjetischen Regierungschef ist ja eher hintersinnig – und hat nichts gemein mit Kramp-Karrenbauers plumpen Weisheiten über Toiletten und „Stehendürfen beim Pinkeln“. Vor allem diente sie der Lockerung der Atmosphäre bei einem wichtigen deutschen Anliegen – der Freilassung der damals noch immer in der Sowjetunion zurückgehaltenen deutschen Kriegsgefangenen.

Nein, gemeint war von dem „Spiegel“-Autor offenbar schon wieder die längst als Unsinn widerlegte Legende vom „Muff der 50er Jahre“. „Adenauer“ diente Feldenkirchen als ein Schimpfbeiwort für die gesamte Ära, wobei er ganz übersah, dass „Adenauerwitz“ ein stehender Begriff für etwas ist, das im Karneval 2019 nun wirklich keine Rolle mehr spielte. Wahr ist: Kaum ein Witz über Adenauer und kein Witz von Adenauer dürften ein Niveauproblem wie die Sprüche von AKK gehabt haben.

Tatsächlich täte der deutschen Politik nicht weniger, sondern mehr Adenauer gut – nämlich mehr Konzentration auf die für das „Wohl des deutschen Volkes“, von dem Artikel 56 des (im Parlamentarischen Rat maßgeblich von dessen Präsidenten Adenauer mitgestalteten) Grundgesetzes spricht, und seine Zukunft wirklich wichtigen Themen.

Ulrich Wenck

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 15. März 2019

RUSSLAND WEITER IN DIE ENGE
TREIBEN?

Die Denkfabrik „Atlantic Council“ fordert eine massive NATO-Aufrüstung in Europa. Doch die Konfrontation mit Russland, die maßgebliche US-Strategen in Kauf nehmen, würde vor unserer Haustür ausgetragen. Ein Grund mehr, entsprechende Pläne genauer zu studieren.

MACRONS VISION FÜR EUROPA

Der innenpolitisch angeschlagene französische Präsident wendet sich mit einem offenen Brief an die Bürger der EU-Staaten. Doch der „europäische Neubeginn“, wie Macron ihn sich vorstellt, bedeutet mehr Bürokratie und weniger nationale Souveränität. Ob die EU tatsächlich diesen Weg einschlagen soll, entscheiden die Bürger – bei der Europawahl im Mai.

BREXIT AUF DER ZIELGERADEN

Abstimmungen, Angstkampagnen und Perspektiven: Der Brexit ist in die entscheidende Phase eingetreten, in der Premierministerin Theresa May im Parlament vor schwierigen Aufgaben steht und Brüssel doch noch Zugeständnisse abringt. Sie weiß genau: Der Austritt muss kommen, soll die Demokratie nicht schwer beschädigt werden.

SELBSTKRITIK? – FEHLANZEIGE

Das Öffentlichwerden des „Framing-Manuals“ lässt weder die ARD noch die Autorin Elisabeth Wehling zur Ruhe kommen. Nicht allein die hohen Kosten sorgen für Kopfschütteln, die eigentliche Kritik entzündet sich an den ARD-Absichten, die vielfach als Gehirnwäsche-Versuch gewertet werden.

NUKLEARES PULVERFASS

Vor wenigen Wochen wurde die Eskalationsspirale im Kaschmir-Konflikt wieder in Gang gesetzt. Die Geschichte der Auseinandersetzung geht zwar Jahrhunderte zurück, doch die Tragweite ist eine ganz andere, seit sowohl Pakistan als auch Indien Atommächte sind.

ZERSTÖRERISCHE EINGRIFFE

Der Verein Deutsche Sprache hat ein öffentlichkeitswirksames Zeichen gesetzt. Das Streben nach angeblich geschlechtergerechten Formulierungen beschädige die deutsche Sprache und verdiene Widerstand, so der Verband in einem Aufruf, der mittlerweile vieltausendfach unterzeichnet wurde.

DEUTSCHES BIATHLONWUNDER

Es bleiben eigentlich keine Superlative mehr, um die Leistung von Laura Dahlmeier angemessen zu beschreiben. Bei den Biathlon-Weltmeisterschaften stellte sie jetzt einen neuen Rekord auf, der voraussichtlich lange Bestand haben wird. Sie gewann die 13. WM-Medaille in Folge.

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