Nr. 52 vom 20.12.2019

Liebe Leser, die Nr. 52/2019 war die letzte Ausgabe der National-Zeitung. Einen 70. Jahrgang wird es nicht geben. Der Medienwandel der letzten 15 Jahre und das damit einhergehende geänderte Nutzerverhalten machen diesen Schritt unumgänglich, aber auch verschmerzlich. Denn es ist Neues und gleichfalls Gutes herangewachsen, das – ebenso rechtstreu und verfassungstreu sowie am Wohl des deutschen Volkes orientiert – es auch verdient, gelesen und weitergegeben (oder „geteilt“) zu werden. Wir sind sicher, das eine oder andere bewirkt, manchen Gedanken auf den Weg gebracht zu haben. Verlag und Redaktion danken Ihnen für Ihre Beständigkeit, Ihre Kritik und Ihre Anregungen! Ihr DSZ-Verlag
 

Standpunkt

Generation Freiheit

Freiheit – darin erkannte der Dirigent Paul Bekker, einer der wichtigsten Musikkritiker in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Ziel und Botschaft von Beethovens Schaffen, und zwar „Freiheit in künstlerischer, politischer, persönlicher Hinsicht, Freiheit des Willens, des Handelns, des Glaubens, Freiheit des ganzen Individuums in all seinen Betätigungen äußerer und innerer Art“. Beethoven variiert den „Akkord, der in den Freiheitskriegen zum Sturm anschwillt, der zwei Jahrzehnte vorher den Orkan der Französischen Revolution durchbraust hatte“, in seinem Wirken hallen die „zündenden Stichworte seiner Epoche vom ‚Rechte, das mit uns geboren’, von ‚Freiheit und Menschenwürde’“ wider. Das verbindet Beethoven mit seinen herausragenden Zeitgenossen. Der Komponist teilt sich das Jubiläumsjahr 2020 mit zwei weiteren deutschen Geistesgrößen: Hölderlin und Hegel. Auch sie sind 1770 geboren.

Prägend für diese Generation waren die historischen Umwälzungen der Epoche, die Französische Revolution 1789 und ihre terroristischen Ausläufer, das Ende des alten Reiches, Napoleons Aufstieg und Hybris und die Befreiungskriege im Konkreten, im Übergeordneten die Bildung eines Nationalbewusstseins, das sich auch politische Geltung verschaffen will.

Der Philosoph der Freiheit

Alle Genannten setzten sich auf eigene Weise mit den epochalen Gedanken ihrer Zeit auseinander und wirkten selbstredend über die eigene Disziplin und Generation hinaus. Als Kronzeuge dafür sei etwa Johann Georg August Wirth (1798–1848) aufgerufen. Der Protagonist des wegweisenden Hambacher Fests sagte, Hegel habe in ihm „den unsterblichen Funken der Freiheit“ entzündet. In der 2019 erschienenen Hegel-Biografie des Philosophieprofessors Klaus Vieweg, der Wirth dahingehend zitiert, ist Hegel indes nichts weniger als „Der Philosoph der Freiheit“.

„Jeder einzelne ist der Sohn seines Volkes und zugleich, insofern sein Staat in Entwicklung begriffen ist, der Sohn seiner Zeit; keiner bleibt hinter derselben zurück, noch überspringt er dieselbe; dies geistige Wesen ist das seinige, er ist ein Repräsentant desselben, es ist das, woraus er hervorgeht und worin er steht.“ In diesen Sätzen aus Hegels Einleitung zu den Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte findet sich auch das Schlagwort, an dem man bei ihm nicht vorbei kommt: „Staat“. Der Staat soll laut Hegel die Verwirklichung der sittlichen Idee sein. In den „Grundlinien der Philosophie des Rechts“ (1820) heißt es: „Darin, dass es Bürger eines guten Staates ist, kommt erst das Individuum zu seinem Recht.“

Auch hier darf man in ihm einen Philosophen der Freiheit erkennen – nämlich, wenn er sich als Kind seiner Zeit die Freiheit nimmt, anders zu denken, neu zu denken, so wie Hölderlin und Beethoven ihr Recht in Anspruch nahmen, anders und neu zu dichten und zu komponieren.

Die Freiheit zum Aufbruch

Die unantastbare individuelle Freiheit drückt vielleicht kein Vers in Hölderlins anspruchsvoller Lyrik besser aus als der Schlusssatz seiner vierstrophigen Ode „Lebenslauf“ (1800), der als Aphorismus gerne so zusammengefasst wird: „Alles prüfe der Mensch und verstehe die Freiheit, aufzubrechen, wohin er will.“ Die bedingungslose Bejahung dessen, was „die Himmlischen“ schicken und auferlegen, Gutes wie Schlechtes, „aufwärts oder hinab“, gewährt dem Menschen diese Freiheit, so Hölderlins Credo.

Hegel und Hölderlin verband in ihrer gemeinsamen Zeit am Tübinger Stift eine enge Freundschaft. (Der fünf Jahre jüngere Schelling war in ihrem Bunde der dritte.) Entsprechend ist es nur gerechtfertigt, in der Poesie des einen die Philosophie des anderen zu suchen und umgekehrt. Etwa Hegels Gedanken zum wechselseitigen Verhältnis von Einzelnem und Gemeinschaft, die der Philosoph Prof. Ludwig Siep so charakterisiert: „Die ‚Existenz’ des Individuums als Glied eines Volkes, in dem die Rechte der Personen garantiert sind, aber zugleich der Einsatz für die Verteidigung des Gemeinwesens verlangt werden kann, ist für Hegel nicht mehr eine natürliche, vom Streben nach Selbsterhaltung und Bedürfnisbefriedigung her verständliche, sondern eine ‚geistige’ Existenz.“

Rüdiger Safranski schreibt in seiner dieses Jahr erschienenen Hölderlin-Biografie „Komm! ins Offene, Freund!“, Hölderlins Vaterland war zunächst „der landsmannschaftliche Verbund, der Stamm, von dem man herstammt und dessen Schicksal man nicht nur teilen, sondern auch mitbestimmen möchte“. Daraus ergäben sich politische Konsequenzen, wie sie in seinem Gedicht „Der Tod fürs Vaterland“ 1799 zum Ausdruck kamen. Das Vaterland, „für das es sich zu kämpfen und sogar zu sterben lohnt“, ist für Hölderlin nun „das republikanische“. Safranski erklärt: „Diese Ode entstand zu einer Zeit, als Hölderlin vom jakobinischen Terror ebenso abgestoßen war wie von der französischen Kriegsführung, die inzwischen zum imperialen Eroberungskrieg übergegangen war.“ Die Opferbereitschaft gelte einem Vaterland, „das nicht das gegenwärtige, sondern das erst noch zu erkämpfende ist“.

Die Grundlage dieses zukünftigen Vaterlandes ist, wie Safranski anhand der Ode „Gesang des Deutschen“ (1799/1800) dann darlegt, die „deutsche Kulturnation, die noch ohne politische Form ist, doch im Stillen und in der Tiefe einer Zukunft entgegenwächst, die im Zeichen des Friedens und der Musen stehen wird“.

Ode an die Freiheit

Beethoven brachte seinen politischen Freiheitswillen auch ganz gegenständlich zum Ausdruck: In Wien vertonte er 1797 das „Kriegslied der Österreicher“ mit dem Eingangsvers „Ein großes deutsches Volk sind wir“ – ein Bekenntnis absoluter Verteidigungsbereitschaft gegenüber den Franzosen. Nach der Niederlage Preußens gegen Napoleon sprach er 1809 davon, dass nunmehr Österreich „das noch einzige deutsche Vaterland“ sei. „Europens Befreiungsstunde“, „Germania, wie stehst du jetzt im Glanze da“, „Der glorreiche Augenblick“, „Wellingtons Sieg“ oder der „Chor der verbündeten Fürsten“ sowie seine Stücke zu Ehren der als Lützower Jäger gefallenen Eleonore Prochaska sind eine musikalische Ehrerbietung für die Helden der Befreiungskriege. Die Veteranen, die sich bei der Uraufführung seiner 7. Sinfonie am 8. Dezember 1813 in Wien im Publikum befanden, begrüßte er so: „Uns alle erfüllte nichts als das reine Gefühl der Vaterlandsliebe und des freudigen Opfers unserer Kräfte für diejenigen, die uns so viel geopfert haben.“

Seine 9. Sinfonie mit Schillers Hymne „An die Freude“ – unter deren Klängen Richard Wagner 1849 auf die Barrikaden des Dresdner Maiaufstands ging und die im Dezember 1989 in Berlin als „Ode an die Freiheit“ ertönte – widmete Beethoven „in höchster Ehrfurcht“ Preußens König Friedrich Wilhelm III. Der hatte in den Befreiungskriegen mit seinem Aufruf „An mein Volk“ die Einheit von Krone, Armee und Volk beschworen. Auch er war Jahrgang 1770.

Victor Hugo glaubte: „Der deutsche Geist ist wie eine unermessliche Geisteswolke, durch welche Sterne glänzen. Der höchste Ausdruck Deutschlands aber kann vielleicht nur durch die Musik gegeben werden.“ Hegel und Hölderlin sind nicht die leichteste Kost. Allein an den vielen und unterschiedlichen Auslegungen, die beide erfahren, sieht man das. Beethoven macht es uns einfacher. Er bewegt sich jenseits von Worten, und damit bewegt er uns. Seine Ideen werden nicht zu komplexen Gedankengebäuden, sondern ewige Musik, die eine Ahnung und ein Gefühl von Schicksal, Würde und Freiheit vermitteln. Das ist der Grund, warum sein 250. Geburtstag im nächsten Jahr die der anderen überstrahlen wird.

Einige der Themen in der Ausgabe vom 20. Dezember 2019

JOHNSONS MEISTERSTÜCK

Das eindeutige Ergebnis der britischen Unterhauswahlen straft hiesige Medien, die oft und gerne davon schrieben, die Briten wollten den Austritt aus der EU mehrheitlich nicht, Lügen: Die Tories unter Boris Johnson errangen die absolute Mehrheit und haben damit das Mandat, den Brexit durchzuziehen. Am Ende setzte sich also der durch, der den Willen des Volkes nicht missachtete.

AUSBLICK 2020

Wie lange hält die GroKo, wenn sich die SPD bei der Hamburger Bürgerschaftswahl erneut blamiert? Unter wie großen Druck wird Salvini mit seinem Bündnis die Regierung in Rom bei den anstehenden Regionalwahlen setzen? Kommt es im Herbst zur Wiederwahl Donald Trumps? Welche Wahlen und Ereignisse 2020 wichtig sind.

GIPFELDIPLOMATIE

Wolodymir Selenski setzte sich bei Gesprächen im „Normandie-Format“, an denen auch Frankreich und Deutschland beteiligt sind, mit Russlands Staatsoberhaupt Putin an einen Tisch. Die persönliche Begegnung scheint zu halten, was das Konzept der Konferenz-Diplomatie, entwickelt 1920 von dem britischen Politiker und Idealisten Lord Maurice Hankey, verspricht. Es gibt Hoffnung, dass der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ein Ende findet.

SOZIALDEMOKRAT UND PATRIOT

Der Staatsrechtler Hermann Heller, der als „Vater der Politikwissenschaft“ gilt, findet in der heutigen SPD zwar zuweilen Erwähnung, wird aber nur ungern zitiert. Sein 1925 erschienenes, nun neu aufgelegtes Buch „Sozialismus und Nation“ entwirft eine Sozialdemokratie im Geiste Ferdinand Lassalles, von der sich die Genossen längst verabschiedet haben.

DER GROSSE KNALL DROHT

Elf Jahre nach der großen Krise – Stichwort Lehman Brothers – droht den Finanzmärkten global erneut eine hochgefährliche Situation. Schuld daran sind lasche Regulierungen in Kombination mit niedrigen Zinsen und einer hohen Verschuldung. Wovor Experten nun warnen.

ÜBERFÄLLIG

Das Tabakwerbeverbot kommt. Die Unionsfraktion gibt ihren Widerstand auf und tritt nun für die stufenweise Untersagung der Reklame ab 2021 ein.

ARABISCHER FRÜHLING 2.0?

Im Irak und im Libanon sind nach anhaltenden Protesten die Regierungschefs zurückgetreten. Doch der Unmut auf der Straße dürfte sich damit nicht beruhigen, sondern weitergehen. Denn Reformen, wie sie in den Ländern nötig wären, sind nicht in Sicht. Das neue Jahrzehnt wird in der ganzen Region sehr unruhig beginnen.

STERN VON BETHLEHEM

Mitte des 15. Jahrhunderts schuf der flämische Maler Rogier van der Weyden den Columba-Altar, dessen „Vollkommenheit“ Hegel als unüberbietbar empfand. Die „Anbetung der Könige“ auf der Mitteltafel verzichtet nicht auf ein Detail, das seit Jahrhunderten Theologen, Astronomen und Künstler wie Gläubige fasziniert: den Stern, der den Weisen aus dem Morgenland den Weg zum neugeborenen Heiland wies.

Sie wollen uns Ihre Meinung zum „Standpunkt“ mitteilen oder uns auf einen Sachverhalt aufmerksam machen? Bitte!

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Nr. 51 vom 13.12.2019

Standpunkt

Augsburg

Weit über die Grenzen der Stadt Augsburg hinaus sorgte der gewaltsame Tod eines 49-jährigen Berufsfeuerwehrmanns und Familienvaters für Entsetzen. Am Montag nach der Tat, die sich am Freitagabend ereignet hatte, nannte die Polizei Details. Demnach kamen das Opfer, Brandinspektor Roland S., und seine Frau mit einem befreundeten Ehepaar vom Christkindlmarkt in der Innenstadt, als sie gegen 22:40 Uhr am Königsplatz eine Gruppe Jugendlicher passierten. Die Bilder der Überwachungskameras zeigen, dass sich der 49-Jährige kurz darauf umdrehte und auf die gestikulierenden jungen Männer zuging, die ihn daraufhin sofort umzingelten. Einer von ihnen schlug ihm dann unvermittelt von der Seite und mit voller Wucht gegen den Kopf. Der Feuerwehrmann verstarb noch im Rettungswagen. Auch der zur Hilfe geeilte Freund des Opfers wurde attackiert und erlitt schwere Verletzungen im Kopfbereich.

Schneller Fahndungserfolg

Dass zunächst auf die Veröffentlichung der Kamerabilder verzichtet worden war, hatte laut Polizei ermittlungstaktische Gründe. Man wollte vermeiden, dass die Tatverdächtigen untertauchen oder Beweismaterial vernichten würden, seien doch gerade die Kleidungsstücke wesentlich für die Identifikation der beteiligten Personen gewesen. Am Sonntag hätte man mit den Videoaufzeichnungen an die Öffentlichkeit gehen wollen, was durch den raschen Fahndungserfolg aber dann obsolet war. Vor diesem Hintergrund ist die Empörung nachvollziehbar, mit der die Polizei die Vorwürfe, etwas vertuschen zu wollen, zurückwies.

Das zum Ausdruck gekommene Misstrauen hat Ursachen, an denen nicht zuletzt die mediale Berichterstattung Anteil hat, etwa wo sie in der Vergangenheit nur zögerlich Fakten veröffentlichte, wenn es um Täter mit Migrationshintergrund ging. Bei der Tat in Augsburg bestätigte dann die Polizei in der Pressekonferenz am Montag die Mutmaßung etlicher Menschen, dass es sich bei den Jugendlichen um eine multikulturelle Gruppe handelt. Der 17-jährige Hauptverdächtige besitzt neben der deutschen auch die türkische sowie die libanesische Staatsbürgerschaft. Fünf haben die deutsche Staatsangehörigkeit, aber auch einen türkischen Pass oder Migrationshintergrund. Einer ist italienischer Staatsbürger. Alle sieben sind in Augsburg geboren. Einige der Jugendlichen seien polizeibekannt, zwei von ihnen wegen Körperverletzung.

„Wie man sich im öffentlichen Raum verhält“

Die relativierende Wortwahl mancher Artikel trägt darüber hinaus nicht dazu bei, verloren gegangenes Vertrauen in eine neutrale und um Vollständigkeit bemühte Presse wiederherzustellen. Denn Schlagzeilen wie „Toter Feuerwehrmann nach Streit in Augsburg“ („Frankfurter Rundschau“; weiter heißt es hier: „In Augsburg kommt es zum Streit zwischen zwei Ehepaaren und einer Gruppe junger Männer. Ein Mann stirbt.“) und „Mann stirbt nach Streit“ („Süddeutsche“) treffen letztlich den Sachverhalt nicht. Tödlich war nach Aussage der Polizei der Schlag des Hauptverdächtigen. Auch von einem „Streit“, der mindestens zwei beteiligte Parteien voraussetzen würde, kann nicht die Rede sein. Der Getötete trägt nach polizeilichen Erkenntnissen keinerlei „Mitschuld“. Schließlich sei das spätere Opfer „regelkonform“ aufgetreten, „so wie man sich im öffentlichen Raum verhält“, teilte die Polizei mit.

Oder gelten mittlerweile andere Regeln? Dass man besser die Augen niederschlägt, weil allein ein Blick als Kampfansage ausgelegt wird? Dass man lieber vorbeihuscht beziehungsweise etwaige Provokationen still über sich und seine Begleitung ergehen lässt? Dass man dort Platz macht, wo „junge Männer“ ihn offensiv beanspruchen?

Die Aufgabe der Politik

Das Tötungsdelikt in Augsburg ist nichts, wovon irgendjemand politisch „profitieren“ kann. Allein darüber nachzudenken oder auch eine solche Absicht zu unterstellen, ist pietätlos. Vielmehr muss nach einer Tat, die die Öffentlichkeit so erschüttert, nach Gründen und Konsequenzen gefragt werden. Das ist die Aufgabe der Politik. Hinweise auf mögliche Zusammenhänge mit dem Vorwurf der Instrumentalisierung oder des Missbrauchs zu tabuisieren, hilft dabei nicht weiter und ist nicht im Interesse der Allgemeinheit.

Man muss darüber sprechen und dafür sorgen, dass der öffentliche Raum nicht verloren geht, dass er sicher ist, dass jedermann – und jede Frau – abends um halb elf durch die Innenstadt gehen kann, ohne Angst um Leib und Leben zu haben, dass die Regeln für ein gewaltfreies Zusammenleben respektiert werden.

„Entfriedung des Gemeinwesens“

Und im Augsburger Fall muss auch über den Hintergrund der Tätergruppe gesprochen werden. Das dürfte jedem klar sein, der eine entscheidende und aktuelle Passage des Manifests „Weil das Land sich ändern muss“ kennt, das Altbundeskanzler Helmut Schmidt, die ebenfalls sozialdemokratischen Theologen Wolfgang Thierse und Richard Schröder, „Zeit”-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff und weitere prominente Autoren 1992 veröffentlicht haben.

Hier heißt es zu der Option, die demografische Situation in Deutschland durch Migration zu beeinflussen: „Ob eine zahlenmäßig schrumpfende und stark alternde Bevölkerung einen Zustrom von bis zu 600.000 Menschen jährlich assimilieren oder auch nur integrieren kann, ist ungewiss. Dennoch müsste sie den zweifellos aufwendigen Versuch einer umfassenden Integration der Zuwanderer unternehmen, wenn wirtschaftliche, soziale und nicht zuletzt kulturelle Spannungen erträglich bleiben sollen. Gelingt diese Integration nicht, droht die Entfriedung des Gemeinwesens einschließlich der zumindest partiellen Marginalisierung des deutschen Bevölkerungsteils in einzelnen Schulen, Stadtteilen oder auch Landstrichen.“

Um die „Entfriedung des Gemeinwesens“ zu verhindern, muss es oberste Priorität sein, die Integrationskapazitäten nicht zu überlasten. Verbrechen wie das in Augsburg sind ein Hinweis, dass sie mitunter schon an ihre Grenzen gestoßen waren. Umso fataler könnte sich die Migrationspolitik, die die Regierung Merkel seit 2015 betreibt, in den kommenden Jahren auswirken.

Einige der Themen in der Ausgabe vom 13. Dezember 2019

WIE GEFÄHRLICH IST TIKTOK?

Die derzeit in Deutschland beliebteste Social-Media-App stammt nicht etwa aus den USA, sondern aus China. Das Portal TikTok steht allerdings in der Kritik von Datenschützern, Pädagogen und Elterninitiativen. „Cybergrooming“ ist dabei nur eine Gefahr. Was dem Format vorgeworfen wird.

DIE KRISE BLEIBT

Der SPD-Bundesparteitag sparte nicht mit der Beschwörung ewiger SPD-Werte. Unter dem Motto „In die neue Zeit“ kamen die Delegierten zusammen, um im Sinne des Mitgliederentscheids das neue Vorsitzenden-Duo zu küren, das sich auf einmal der GroKo gegenüber aufgeschlossen zeigt. Was brachte die Zusammenkunft darüber hinaus?

MEHR GELD FÜR BRÜSSEL?

Neue Berechnungen ergeben, dass der bundesdeutsche Nettobeitrag an die Europäische Union in den kommenden Jahren drastisch ansteigen könnte. Dabei steuert die Bundesrepublik Deutschland bereits heute mehr als ein Fünftel des gesamten EU-Etats bei.

BÜRGERAUFSTAND GEGEN G5

In der Bundesrepublik Deutschland haben Veranstaltungen gegen den Ausbau des neuen Mobilfunkstandards bemerkenswert großen Zulauf, in der Schweiz und in Belgien hat die Politik entsprechende Projekte sogar schon gestoppt. Was ist hierzulande möglich?

ZIELGRUPPE: SELBSTDENKER

Der deutsche Blätterwald ist bunter, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Vielfalt in der Presselandschaft ist für denjenigen kein Fremdwort, der weiß, wo er ergänzende Informationen, nonkonforme Meinungen und unabhängigen Journalismus finden kann. Da hat sich in den letzten Jahren einiges getan.

DEUTSCHLANDS „BRAIN DRAIN“

Die Bundesrepublik Deutschland ist, obwohl darüber kaum gesprochen wird, ein Auswandererland. Bedenklich dabei ist: Die, die gehen, sind überdurchschnittlich junge und gebildete Leistungsträger. Eine Studie befasste sich mit den Gründen, die sie zur Auswanderung bewegen.

NACH DER FANTASIE

Der Maler Arnulf Rainer beging am 8. Dezember 2019 seinen 90. Geburtstag. Das Arnulf-Rainer-Museum in Baden bei Wien nahm dies und die Tatsache, dass das Haus vor zehn Jahren, im September 2009, eröffnet wurde, zum Anlass einer Reihe von Veranstaltungen.

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Nr. 50 vom 6.12.2019

Standpunkt

Hält die GroKo?

Ist das neue Spitzenduo – Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans – eine gute Wahl für die SPD? Klar war, dass sie sich positionieren musste, wenn sie irgendwann wieder wahrnehmbar werden und dem Vorwurf der Ununterscheidbarkeit entgegenwirken wollte. Und aufgrund der Ausrichtung des Koalitionspartners CDU, der von der Mitte immer weiter auf die „linke“ Spur drängt, blieb ihr wenig anderes übrig, als selbst in diese Richtung auszuweichen.

Inwieweit Esken und Walter-Borjans sich bewähren oder schlicht, gemäß dem „Peter-Prinzip“, bis zu der Stufe aufgestiegen sind, für die sie nicht mehr befähigt sind, bleibt abzuwarten. Nowabo, wie der 1952 geborene Walter-Borjans sich abgekürzt rufen lässt, machte sich als Finanzminister von NRW (2010–2017) mit dem Kauf von Steuer-CDs einen Namen. Der von ihm verantwortete Etat wurde mehrmals vom Landesverfassungsgericht als verfassungswidrig gerügt. Die Schulden des bevölkerungsreichsten Bundeslandes wuchsen unter dem Finanzminister Nowabo um fast 30 Prozent.

Für das politische Comeback des 67-Jährigen soll Kevin Kühnert verantwortlich sein. Der 30-Jährige gab ihm wohl den Schubser, den er zur gemeinsamen Kandidatur mit Esken gebraucht hatte. Esken hätte auch gerne Kühnert selbst an ihrer Seite gehabt, dem sie ihrerseits, so schreibt es die Neue Zürcher Zeitung, wohl „schon positiv aufgefallen sein“ muss: „Eine Frau, die wie er die große Koalition kritisierte, gegen Uploadfilter im Netz ist und das Geordnete-Rückkehr-Gesetz für abgelehnte Asylbewerber der Regierung nicht unterstützte. Eine Frau, die zwar kaum jemand kannte, aber die zweifellos eine Dissidentin war. Kühnert organisierte die Unterstützung der Juso, Walter-Borjans garantierte viel Unterstützung aus Nordrhein-Westfalen, dem mitgliederstärksten Landesverband der SPD.“

Esken, Jahrgang 1961, ist im Schwarzwald daheim, seit 2013 Bundestagsabgeordnete und Mitglied der Gruppe Parlamentarische Linke in der SPD-Fraktion. 2017 stand sie in Baden-Württemberg auf Listenplatz 15, der angesichts der mageren Umfragewerte heute sehr wackelig wäre. Glaubt man der FAZ, kam ihre Aufstellung für die letzten Bundestagswahlen zustande, weil die SPD „nicht nur Städter“ nominieren wollte. Nach Abbruch ihres Studiums der Germanistik und Politologie absolvierte die gebürtige Stuttgarterin, Mutter dreier Kinder, eine Ausbildung zur Informatikerin, sie sitzt im Bundestagsausschuss Digitale Agenda.

Dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz, das einzige wirkliche Schwergewicht im Wettlauf um die Parteispitze, nun unterlegen ist, veranlasste die NZZ zu folgendem Fazit: „Nach der Wahl ist er zur Merkel der SPD geworden – er regiert noch mit, aber seine Zeit ist abgelaufen.“

Das führt zu der nach der Wahl der neuen SPD-Spitze meistdiskutierten Frage: Was wird aus der Großen Koalition? Beide Neuen gelten als Skeptiker des Regierungsbündnisses, wobei sich Esken, Befürworterin von Rot-Rot-„Grün“ auf Bundesebene, in dieser Frage im Vorfeld der Mitgliederbefragung immer exponierter geäußert hat.

Auf jeden Fall wollen sie den Koalitionspartner zu Zugeständnissen bewegen, etwa beim Klimapaket (den Preis pro Tonne Kohlendioxid auf 40 Euro anheben) und dem Mindestlohn (zwölf Euro pro Stunde). Währenddessen verlangte CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer ein klares Bekenntnis zum Regierungsbündnis als Voraussetzung dafür, das Lieblingsprojekt der SPD, die Grundrente, weiterhin zu unterstützen.

Ob diese harten Bandagen notwendig waren? Gewiss ist, dass die SPD bei vorgezogenen Wahlen erheblich Federn lassen würde. Das träfe letztlich jene Genossen mit einem Mandat, um das sie zittern müssten. Ebendieses Mandat sichert ihnen aber noch jenen innerparteilichen Einfluss, um sich Neuwahlen widersetzen zu können.

Auch die CDU kann kein großes Interesse daran haben, nun mit schlechten Umfrageergebnissen und einer schwachen Kanzlerkandidatin ins Rennen zu gehen, und dürfte entsprechend ihre Strapazierfähigkeit in Sachen GroKo ausreizen. Nicht zuletzt wäre es für Angela Merkel ein schmachvoller Abgang, könnte sie nicht wie angekündigt ihre letzte Amtszeit regulär beenden. So gesehen sitzt die chaotische SPD tatsächlich an einem recht langen Hebel.

Einige der Themen in der Ausgabe vom 6. Dezember 2019

„WIR STEHEN MIT DEM RÜCKEN
ZUR WAND“

Protest gegen die Agrarpolitik: In der vergangenen Woche waren Tausende Bauern dem Aufruf der Initiative „Land schafft Verbindung – Wir bitten zu Tisch“ gefolgt. Sie kamen in einer Sternfahrt nach Berlin, um auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen. Die CDU muss um eine Kernwählerschaft bangen.

WIE SICHER SIND UNSERE MUSEEN?

Nach dem Dresdner Juwelenraub und dem Diebstahl im Berliner Stasi-Museum ist ein Umdenken unerlässlich. „Kunstschätze statt Bürger überwachen“, forderten Demonstranten vergangene Woche in Dresden. Warum sie damit nicht falsch liegen.

WER SEINE GRENZEN SCHÜTZT – UND WER NICHT

Das Hin und Her um die illegale Wiedereinreise des zuvor in den Libanon abgeschobenen Clan-Chefs Ibrahim Miri, seinen Asylantrag und seine nochmalige Abschiebung hat der Öffentlichkeit abermals die Defizite der von der Regierung Merkel praktizierten Asyl- und Zuwanderungspolitik vor Augen geführt.

GROSSBRITANNIEN VOR DEN WAHLEN

Die Lage vor den Wahlen in Großbritannien. Mitstreiter von Premier Boris Johnson weisen unermüdlich darauf hin, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU noch immer in Gefahr sei und die Wahlen knapper als von vielen erwartet ausfallen könnten. Brexit, Soziales, Sicherheit: Womit Tories und Labour punkten wollen.

AUF DIE WORTWAHL KOMMT ES AN

Die aggressive Wortwahl politischer Mitbewerber und großer Teile der schreibenden Zunft gegenüber der AfD bleibt nicht ohne Folgen. Immer öfter glauben sich dadurch manche Zeitgenossen im Recht, wenn sie Mitglieder oder Sympathisanten der jungen Partei ausgrenzen, ächten, bedrohen oder auch mit Gewalt überziehen. Selbst Kinder werden nicht verschont.

DOPPELMÖRDER ODER JUSTIZOPFER?

Der in den USA wegen Doppelmordes verurteilte deutsche Staatsbürger Jens Söring, Sohn eines Diplomaten, ist gemäß Entscheidung des Begnadigungsausschusses des US-Bundesstaates Virginia nach fast 30 Jahren Haft auf freien Fuß gesetzt worden. Warum der Fall damit noch nicht abgeschlossen ist.

HERRNHUTER STERN UND FRÖBELSTERN

Sterne als Reminiszenz an den himmlischen Wegweiser zum Stall von Bethlehem gehören zu den zentralen Motiven im Advent. Vielfältig sind ihre Erscheinungsformen. Der Herrnhuter Stern und der Fröbelstern sind zwei Klassiker der Weihnachtsdekoration. Ihre aufschlussreiche Geschichte.

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