Nr. 5 vom 27.1.2017
Standpunkt
Absage an den Messianismus
Düster, unanständig, schockierend. So ist Trumps Antrittsrede gewesen, folgt man hiesigen Kommentatoren. Tatsächlich war sie vor allem ungewohnt. Dabei spricht einiges für die Sichtweise, dass „America first“ auch bisher in Washingtons Politik galt – freilich ging es dabei in erster Linie um das „Imperium“, um Doktrinen wie den Freihandel und um die Interessen des militärisch-industriellen Komplexes. Und ein derartiges Primat wurde selbstverständlich ungern offen ausgesprochen, sondern mit Sätzen über Menschenrechte und Demokratie bemäntelt. Das Ergebnis war zum Beispiel der Angriffskrieg auf den Irak im Jahr 2003, den Trump als einen der schlimmsten Fehler der US-Geschichte verurteilt und der eine Menschenrechtskatastrophe war und viele weitere auslöste.
Trump spricht nun weniger von solchen Werten, vielleicht weil die Rede davon schon zu oft missbraucht worden ist und daher in amerikanischen Ohren mittlerweile unangenehm klingt. Sein Satz „Heute übergeben wir nicht in erster Linie die Macht von einer Regierung an die nächste, von einer Partei an eine andere, sondern wir nehmen Washington, D.C. die Macht und geben sie euch zurück, dem Volk“ war letztlich eine schnörkellose Neuauflage von Lincolns „Regierung des Volkes durch das Volk und für das Volk“. Er ist als Aussage darüber zu verstehen, woran Trump sich orientieren will: Die Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika stehen demnach im Vordergrund, nicht ein Machtapparat aus Parteien, Wirtschaft, Banken und Lobbyisten.
„Amerika zuerst“ heißt für ihn, dass „jede Entscheidung in Sachen Handel, Steuern, Einwanderung, Außenpolitik“ zum Nutzen des amerikanischen Volkes getroffen werden muss. Das ist eigentlich etwas Selbstverständliches – und vergleichbar mit dem Gebot des Grundgesetzes an die in Deutschland Regierenden, den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden. Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum die Rede bei einer Reihe von deutschen Politikern ungute Gefühle auslöste.
Dabei liegt in der Konzentration auf Amerika und die Interessen der Amerikaner genau genommen etwas Beruhigendes, weil sie eine Absage an den Messianismus beinhaltet. Zumal Trump erklärt, auch den anderen das gleiche Recht zuzugestehen: „Wir werden Freundschaft und Wohlwollen mit den Völkern der Welt suchen, aber wir verstehen auch, dass es das Recht jeder Nation ist, ihre eigenen Interessen an erste Stelle zu setzen. Wir wollen niemandem unsere Art zu leben aufzwingen, sondern sie lieber als helles Beispiel leuchten lassen.“ Klingt da nicht die Möglichkeit einer besseren Zukunft an, als die Politik des „ewigen Krieges für ewigen Frieden“ (Gore Vidal) mit ihren oft erlogenen Vorwänden sie in Aussicht stellte?
Karl Diefenbach
Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 27. Januar 2017
ZWISCHEN DEN STÜHLEN
Als sich Marine Le Pen, Geert Wilders und Frauke Petry jetzt in Koblenz trafen, wollte auch Sigmar Gabriel dagegen protestieren. Motto: „Koblenz bleibt bunt.“ Doch es kam anders. Polizisten und Personenschützer mussten Gabriel abschirmen, als ihn „Demonstranten aus dem linken Spektrum“ bedrängten und ihm „Hau ab! Hau ab!“ entgegenschleuderten.
TAUZIEHEN UM CETA
Menschen in ganz Europa versuchen, die Zustimmung des Europäischen Parlaments zur vorläufigen Anwendung von CETA zu stoppen. Massenhaft wenden sie sich per Telefon, Twitter, Fax und Mail an die EU-Abgeordneten. Gelingt dies, wäre das Freihandelsabkommen vom Tisch. Wie stehen die Chancen?
SCHLAGENDE „ARGUMENTE“
Die Angriffe auf André Poggenburg, den Vorsitzenden der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg sind ein weiteres Beispiel für zunehmende und immer wieder auch verharmloste politische Gewalt.
„QUALITÄTSMEDIEN“ GREIFEN DANEBEN
„Bundesverfassungsgericht verbietet NPD“: Wie es zu solchen Falschmeldungen bei „Spiegel“, „Zeit“, ARD und anderen Medien kommen konnte. Ein peinliches Schauspiel in Zeiten der „Fake News“-Debatte.
UNDEMOKRATISCH UND VOREINGENOMMEN
Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald wird aller Voraussicht nach umbenannt. Nur das Bildungsministerium in Mecklenburg-Vorpommern muss dem Beschluss des Akademischen Rates noch zustimmen. Die Studenten werden nicht gefragt, und ein angemessener Umgang mit der historischen Bedeutung des Namenspatrons ist ebenfalls nicht gegeben. Ein skandalöser Prozess.
TOD EINES KÜNSTLERS
Am 13. Februar 1945 starb der Maler und Medailleur Fritz Hörnlein mit seiner Frau Pauline und seiner Tochter Gertraude im Dresdner Feuersturm. Die Erinnerung an ihn steht stellvertretend für alle in Dresden Ermordeten. Es gilt, den Opfern ein Gesicht zu geben.
POTSDAMS NEUES PRUNKSTÜCK
Im wiederaufgebauten Barock-Palais ist das neue Museum Barberini in Potsdam feierlich eröffnet worden. Den Grundstock des Bestandes an Kunstwerken bildet die private Sammlung des Unternehmers und Mäzens Hasso Plattner. Das Ausstellungsprogramm ist so vielseitig wie vielversprechend.