Nr. 4 vom 19.1.2018

Nr. 4 vom 19.1.2018

Standpunkt

Ein arges Foul

Bei der Pressekonferenz mit Angela Merkel am 17. Januar in Berlin betonte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz die „enge Verbundenheit“ unserer beiden Staaten „in vielen Bereichen“ und erklärte es für „legitim, in der einen oder anderen Frage auch einmal unterschiedliche Positionen zu haben“. Merkel äußerte nicht nur, die neue österreichische Regierung „an ihren Taten zu messen“ – das ist nur recht –, sondern auch, sie „sicherlich etwas stärker, als man es sonst getan hätte,“ zu beobachten.

Die „unterschiedlichen Schwerpunkte“

Kurz sagte, „dass die Lösung der Migrationsfrage in einem ordentlichen Außengrenzschutz und einer stärkeren Hilfe vor Ort liegt“. Und: „Vieles, für das ich vor einigen Jahren noch kritisiert wurde, ist heute eigentlich in vielen Staaten und auch auf europäischer Ebene durchaus eine mehrheitsfähige Position.“

Merkel hingegen erklärte ihr „EU-Türkei-Abkommen“ für „genau die Form, in der wir maritime Grenzen schützen können“. Zweimal verwies sie auf das von ihr propagierte „Resettlement“. Bezeichnet wird mit dem englischen Wort für „Umsiedlung“ die dauerhafte Aufnahme von Migranten aus Drittstaaten außerhalb der EU. Die Umverteilung innerhalb der EU wird als „Relocation“ bezeichnet. Beides gehörte zu den viel zu wenig beachteten und verstandenen Inhalten des von Peter Altmaier ausgearbeiteten Wahlprogramms der C-Parteien.

Zeigten sich hier die „sicherlich unterschiedlichen Schwerpunkte“ (Merkel), so rieb man sich am 20. Januar verwundert die Augen. Auf ihrer Seite 1 berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ exklusiv: „Im Bundeskanzleramt in Berlin gibt es die Befürchtung, die Regierungsbeteiligung der FPÖ in Wien könne die nachrichtendienstliche Kooperation der westlichen Staaten erschweren.“

Wie „eine mit dem Vorgang vertraute Person“ berichte, habe Merkel beim Besuch des österreichischen Kanzlers die Sorge geäußert, dass von der FPÖ Erkenntnisse nach Moskau gelangen könnten, die es dortigen Nachrichtendiensten ermöglichten, Rückschlüsse auf die Quellen westlicher Dienste zu ziehen. Wien müsse daher darauf vorbereitet sein, dass westliche Dienste nicht mehr in gleichem Maße Informationen teilen würden. Das gelte für europäische wie für amerikanische Dienste. Zu diesen „westlichen Diensten“ zählt Merkel offenbar auch die bundesdeutschen.

„Unterstellung ohne Anlass“

Das Kanzleramt in Wien entgegnete laut „FAZ“ auf Anfrage: „Jemandem zu unterstellen, illegal Daten weiterzugeben, bedeute den Vorwurf einer strafbaren Handlung. Ohne Anlass sei eine solche Unterstellung nicht zulässig.“ Außerdem machte Wien klar, dass der Standpunkt, Frieden könne es in Europa langfristig nur mit und nicht gegen Russland geben, nicht bedeute, „dass widerrechtlich Daten weitergegeben werden oder dass wir wegsehen, wenn Völkerrecht gebrochen wird“.

Merkels wohl nicht zufällig an die Presse durchgestochene „Bedenken“ verströmen nicht nur den Mief des Kalten Krieges. Sie muten umso seltsamer an, als die Kanzlerin gerade erneut mit einer Partei koalieren will, aus deren Reihen es in den Zeiten, als Moskau noch für das nach Welthegemonie trachtende Sowjetimperium stand, eine Reihe von „Indiskretionen“ zugunsten des Kreml oder seiner Satelliten gab – man denke nur an den 1996 vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilten vormaligen SPD-Fraktionsgeschäftsführer Karl Wienand.

Und schließlich war unter Merkel ein Karl-Theodor zu Guttenberg Verteidigungsminister, der, wie durch WikiLeaks bekannt, 2010 sogar den eigenen Außenminister, Guido Westerwelle, beim amerikanischen Botschafter in Berlin anschwärzte. Und der dann mit all seinem Wissen als vormaliger Ressortchef bei der „Denkfabrik“ CSIS anheuerte, die als informeller Teil der US-Geheimdienstlandschaft gilt.

Ulrich Wenck

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 19. Januar 2018

STRANGULIERTE MEINUNGSFREIHEIT?

Seit dem 1. Januar 2018 ist das von Bundesjustizminister Heiko Maas initiierte Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft. Facebook & Co. sollen „rechtswidrige Inhalte“ löschen oder sperren. Mit dieser Aufgabe sind aber in der Regel nicht etwa Juristen, sondern Mitarbeiter sogenannter Löschzentren betraut. Entsprechend groß ist die Kritik.

JAPAN SCHAFFT SICH NICHT AB

Wie Japans Premierminister Shinzo Abe dafür sorgen will, dass sich das japanische Volk ungeachtet des Geburtenrückgangs nicht aus der Geschichte verabschiedet und diese Herausforderung aus eigener Kraft bewältigt.

ABSEITS IN EUROPA

Die Bundesrepublik Deutschland kann momentan dabei zusehen, wie sich ihre strategischen Verbündeten immer weiter von ihr entfernen. Die Migrationspolitik von Kanzlerin Angela Merkel führt geradewegs in die Isolation.

SCHLAG GEGEN DIE MAFIA

Zu Jahresbeginn wurden in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen elf mutmaßliche Mitglieder der kalabrischen ‚Ndrangheta festgenommen, wie das Bundeskriminalamt mitteilte. Entwarnung aber können die Behörden nicht geben. Warum die Sicherheitslage prekär bleibt.

AUF GOETHES KOSTEN

Hat der Titel der Filmreihe „Fack ju Göhte“ Anspruch auf Markenschutz? Nein, befand zumindest das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO), das in dem Namen die postume Beleidigung eines angesehenen Schriftstellers erkennt. Nun muss der EuGH entscheiden.

BÖSES SPIEL MIT PAKISTAN

Islamabad, das genug hat von US-Drohnen und dem „Krieg gegen den Terror“ auf pakistanischem Boden, orientiert sich immer mehr an Peking. Zum Beispiel entsteht in Gwadar derzeit der größte Frachthafen Südasiens als Teil des chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors. Washington passt diese Annäherung nicht.

BRECHEN ALLE DÄMME?

Im Bundestag möchte eine Allianz aus SPD, „Grünen“, Linken und FDP das Werbeverbot für Abtreibungen kippen. Zwar spielt der entsprechende Paragraf 219a StGB statistisch kaum eine Rolle, sein Wegfall aber könnte die Gefahren für Ungeborene weiter vergrößern.

ARGUMENTE GEGEN SCHWARZMALEREI

„Aus dem Brexit einen Erfolg machen – und die EU reformieren“: Autor Roger Bootle, Managing Director von Capital Economics und Kolumnist des „Daily Telegraph“, zeigt in seinem neuen Buch, wie sowohl Großbritannien als auch die Europäische Union vom Brexit profitieren können.

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