Nr. 17 vom 20.4.2018

Nr. 17 vom 20.4.2018

Standpunkt

Rückführung bleibt Theorie

Wenn jetzt ein „archaisches Rollenbild“ als für den Doppelmord vom 12. April auf einem S-Bahnsteig des Hamburger Bahnhofs Jungfernstieg mitursächlich ausgemacht wird, lässt die Antwort des Hamburger Senats vom 3. April 2018 auf eine Kleine Anfrage, die die AfD in der Hamburgischen Bürgerschaft (Drucksache 21/12455) stellte, noch mehr aufhorchen. Darin geht es nämlich – archaisch genug – um Piraten.

Die zehn Somalier hatten im April 2010 den Hamburger Frachter „Taipan“ überfallen. Die 15-köpfige Besatzung des Frachters war vier Stunden nach der Kaperung des Schiffes von einem niederländischen Marinekommando befreit worden. Die Piraten wurden gefangengenommen und an die Bundesrepublik ausgeliefert. Vom Landgericht Hamburg wurden sie am 19. Oktober 2012 zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und sieben Jahren verurteilt. Der Schuldspruch lautet: „Die Angeklagten sind des Angriffs auf den Seeverkehr in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub schuldig.“

2015 befanden sich alle zehn wieder auf freiem Fuß und lebten als Geduldete in Hamburg. Die AfD wollte nun wissen, wie der aktuelle Stand ist.

„Im Besitz einer Duldung“

Die Antwort des Senats besagt, dass fünf dieser Personen weiterhin in Hamburg leben und „im Besitz einer Duldung“ sind. Zu den übrigen heißt es: „Vier Personen sind freiwillig nach Somalia ausgereist. Eine weitere Person hat sich nach Kenntnis der zuständigen Behörde nach Schweden begeben. In welchem Land sich diese Personen aktuell aufhalten, entzieht sich der Kenntnis der zuständigen Behörde.“

Zu den Perspektiven der weiter in Hamburg lebenden Piraten äußert sich der Senat so: „In allen Fällen wurde eine Ausweisungsverfügung erlassen, von der eine zwischenzeitlich durch einen gerichtlichen Vergleich wieder aufgehoben wurde. In einem Fall ist das Rechtsmittelverfahren noch anhängig. Zwei Personen haben Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt, die sich aktuell in Prüfung befinden. Alle Personen sind nicht im Besitz eines Passes, da die somalische Botschaft in Deutschland keine Pässe ausstellt und darüber hinaus auch keine für Rückführungen geeigneten Flugverbindungen nach Somalia zur Verfügung stehen. Darüber hinaus liegen in zwei Fällen schützenswerte Beziehungen zu bleibeberechtigten Familienmitgliedern vor. Eine Durchsetzung der Ausreisepflicht ist somit gegenwärtig nicht möglich.“

Auf die Frage „Wie verdienen die Somalier ihren Unterhalt?“ antwortet der Senat: „Die fünf betroffenen Personen erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.“

Überhaupt keine Abschiebungen nach Somalia

Insbesondere das knappe „Nein“ des Hamburger Senats auf die Frage, ob es seit 2015 überhaupt Abschiebungen nach Somalia gab, sollte zu denken geben. Wenn selbst derjenige bleiben kann, der nur zur Aburteilung seiner Straftaten ins Bundesgebiet gelangt, ist die Merkel’sche Politik der für jedermann offenen Bundesgrenze umso unverantwortlicher.

Ulrich Wenck

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 20. April 2018

WAS TRUMPS RAKETEN BEWIRKEN

Im Wahlkampf hatte Trump dem Non-Interventionismus das Wort geredet. Mit den Militärschlägen gegen Syrien vom 14. April – noch bevor internationale Experten vor Ort eingetroffen waren, um die angeblichen C-Waffen-Angriffe in Duma zu untersuchen – haben Washington und seine Verbündeten in Paris und London nun die Weltpolitik an einen Kipppunkt gebracht.

RUSSLAND IM VISIER

Warum die Eskalation der Spannungen zwischen den USA, Großbritannien und Frankreich einerseits und Russland andererseits nicht überraschend kommt. Die Analyse des Politologen und Friedensaktivisten Dr. Chandra Muzaffar aus Malaysia gibt Aufschluss.

HOHE HÜRDEN

Ist die Europäische Bürgerinitiative nur ein Popanz? Eine echte Mitwirkung der EU-Bürger ist nicht gegeben. Eine Studie und der Verein „Mehr Demokratie“ liefern Vorschläge für eine umfangreiche Reform. Doch das Problem hat tiefere Ursachen.

ZWISCHEN HOFFNUNG
UND REPRESSION

Auch nach der Freilassung von Carles Puigdemont, dem früheren Ministerpräsidenten der Autonomen Gemeinschaft Katalonien, aus der Justizvollzugsanstalt Neumünster bleibt die Situation der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung schwierig.

ERKLÄRUNGEN ZUR ERKLÄRUNG

Die Mitte März im Internet veröffentlichte „Erklärung 2018“ hat längst den zunächst elitär gehaltenen Zirkel aus Akademikern und Kunstschaffenden verlassen und sich wegen der immensen Zustimmung geöffnet: Als Petition soll der Protest den Bundestag erreichen, 140.000 Unterschriften liegen bereits vor.

WAS NICHT INS BILD PASST

Auch der Hintergrund des Angriffs auf die Yunus-Emre-Moschee in Kassel scheint inzwischen klar: Eine Gruppe „Antifa International“ bekannte sich am 8. April im Internet zu der Attacke, bei der mehrere Molotow-Cocktails gegen das Gebäude geschleudert wurden.

SPUR DER KREUZFAHRER

Dreckiger, als man denkt: Ein mittelgroßes Kreuzfahrtschiff mit 2.000 Passagieren verheizt auf See 150 Tonnen Treibstoff am Tag, im Hafen noch etwa 50 Tonnen.

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