Nr. 15 vom 7.4.2017
Standpunkt
Der Schatten über der Bundestagswahl
„Faktenfinder“ nennt die ARD ihr neues, am 3. April ins Netz gestelltes „Anti-Fake-News-Portal“, das über die Internetadresse faktenfinder.tagesschau.de abrufbar ist. Ein Team soll sich dort „mit journalistischem Handwerk“ dem Kampf gegen Falschmeldungen widmen. Doch fragt man sich, ob diese Ressourcen nicht im eigenen Haus besser eingesetzt wären. Schließlich hatte die ARD in den letzten Monaten mehrfach schlagzeilenträchtige Probleme, Fakten zu finden beziehungsweise richtig einzuordnen.
Soweit es jedoch um die bei der Einrichtung des „Faktenfinders“ von der ARD wiederholt angesprochene Sorge geht, die Bundestagswahl könnte gezielt beeinflusst werden, sind es weniger „Fake News“ oder Putin, die beunruhigen, sondern Tatsachen, deren Faktizität außer Zweifel steht. Es sind dies die flächendeckenden und in ihrer Summe auch wirksamen Versuche, im Widerspruch zum Grundgesetz und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung das Recht der AfD auf Chancengleichheit faktisch zunichtezumachen.
Wer sich darüber informieren will, sollte statt unter der „Faktenfinder“-Adresse lieber auf den Internetseiten der Verwaltungsgerichte nachlesen, wobei man sich darüber im Klaren sein muss, dass eine noch junge, aber vom Establishment mit Nachdruck bekämpfte Partei nicht die Mittel hat, sich gegen alle oder auch nur die Mehrheit der unzähligen Diskriminierungen, die ihr landauf, landab widerfahren, zur Wehr zu setzen.
So markiert es nur eine Spitze des Eisbergs, dass das Verwaltungsgericht Köln am 30. März der Stadt Köln auf Antrag der AfD mit einer einstweiligen Anordnung (Az. 4 L 750/17) untersagen musste, ein Dokument mit einem persönlichen Statement von Oberbürgermeisterin Henriette Reker gegen den geplanten AfD-Bundesparteitag („unerträglich“) erneut zu verbreiten. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Oberbürgermeisterin sei zwar befugt, sich im politischen Meinungskampf zu dem geplanten Parteitag auch pointiert kritisch zu äußern. Bei einer solchen Äußerung dürfe sie aber nicht auf städtische Personal- oder Sachmittel zurückgreifen, die ihr zur Erfüllung amtlicher Aufgaben zur Verfügung stünden. Denn diese Mittel würden grundsätzlich von allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihre politischen Anschauungen erbracht und dürften daher nicht für die Teilnahme am politischen Wettbewerb zugunsten oder zulasten einer bestimmten Partei eingesetzt werden.
Investigation gefragt
Eine andere Facette des Großangriffs auf die Chancengleichheit verdeutlicht der Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 14. März 2017 (Az. 2 L 493/17), mit dem die Stadt Minden verpflichtet wurde, der AfD vollständige Auskunft darüber zu erteilen, wann welche öffentlichen Räumlichkeiten der Stadt im Rahmen des nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampfes zur Anmietung zur Verfügung stehen. Um im Rahmen des Wahlkampfes sachgerechte Anträge auf Zulassung zu bestimmten öffentlichen Einrichtungen der Stadt Minden stellen zu können, sei die begehrte Auskunft erforderlich. Bislang habe die Stadt Minden diese nicht vollständig erteilt.
Wenn man um die Ordnungsmäßigkeit der Bundestagswahl in Sorge ist und entsprechende Fakten finden will, hier täte sich ein vordringliches Betätigungsfeld auf. Und auch eines zur Investigation – schließlich werden die Verletzungen des verfassungsmäßigen Rechts einer oppositionellen Partei auf Chancengleichheit im Wahlkampf in der Regel hinter verschlossenen Türen ausgeheckt. Kommen sie ans Licht, ist das meist der Justiz zu verdanken. Auch dann ist in etablierten Medien von Empörung sonderbarerweise wenig zu spüren. „Muckraking“ – Schmutzaufwirbeln – liegt ihnen bei diesem wichtigen Thema offenbar nicht.
KD
Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 7. April 2017
AMERIKA BELEHREN?
Elfriede Jelineks neuester Wurf „Bürgerkönig“ mit Schweinchendame „Miss Piggy“ kommt erst im Oktober an das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, wurde aber schon jetzt in New York in einer gekürzten Fassung präsentiert und als mutige Auseinandersetzung mit Donald Trump gewertet.
MILLIONEN-VERSCHWENDUNG
Nach einem aktuellen Prüfbericht des Bundesrechnungshofs hat die Bundesagentur für Arbeit bei der Abhaltung von Deutschkursen für Asylbewerber Unsummen weitgehend ohne Regelungen und Überprüfungen verschleudert. Einzelheiten des Befunds.
ENDE EINER HETZJAGD?
Die Berliner Humboldt-Universität solidarisiert sich mit dem Historiker und Gewaltforscher Professor Jörg Baberowski, der seit Jahren Ziel einer trotzkistischen Mobbingkampagne ist.
AUF GEFÄHRLICHEN PFADEN
In Mali ist die Bundeswehr an der schon jetzt verlustreichsten Mission in der Geschichte der Vereinten Nationen beteiligt. Der Militäreinsatz findet dennoch in der Öffentlichkeit nur wenig Beachtung, obwohl der Bundestag erst jüngst beschlossen hat, bis zu 1.000 deutsche Soldaten nach Westafrika zu schicken.
AUTONOME GREIFEN AN
In Hamburg zeigt sich die Polizei in großer Sorge angesichts offenbar bevorstehender Krawalle rund um den G20-Gipfel in der Hansestadt am 7. und 8. Juli dieses Jahres. Tausende gewaltsuchende Linksextreme machen mobil, wie aus diversen Internet-Aufrufen hervorgeht.
„CONTAINERN“ STATT EINKAUFEN
Das große Wegschmeißen: In der Bundesrepublik Deutschland landen pro Jahr etwa 18,4 Millionen Tonnen an genießbaren Lebensmitteln im Müll. Dagegen wendet sich eine Protestbewegung, die insbesondere in den Großstädten immer mehr Menschen erfasst und sich der Verschwendung entgegenstellt.
WIE AUS RUDOLF DITZEN DER DICHTER FALLADA WURDE
Der Literaturexperte Peter Walther hat eine Biographie des Schriftstellers Hans Fallada vorgelegt. Sie stützt sich auf neue Quellen, darunter Briefwechsel, Krankenakten oder das bis 2009 nur in Auszügen bekannte Gefängnistagebuch aus dem Jahre 1944, und stellt Falladas steile Aufstiege und schwere Abstürze dar.