Nr. 48 vom 24.11.2017

Nr. 48 vom 24.11.2017

Standpunkt

Glanz und Elend einer Ausstellung

Die Künstler, deren Werke bis zum 25. Februar 2018 in der Ausstellung „Glanz und Elend in der Weimarer Republik“ in der Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main, zu sehen sind, müssten sich verspottet fühlen oder würden vom Finis Germaniae als Wissenschafts- und Kulturland angeweht, bekämen sie den von der Ausstellungskuratorin Dr. Ingrid Pfeiffer herausgegebenen Katalog dazu in die Hand. Die erste Abbildung nach dem Vorwort von Schirn-Direktor Philipp Demandt in dem fast zwei Kilo schweren Band zeigt nämlich Friedrich Ebert mit folgender Bildunterschrift: „Reichskanzler Friedrich Ebert an seinem Schreibtisch, um 1922“. Dass das nicht stimmen kann, ist jedem, der sich auch nur oberflächlich mit deutscher Geschichte auseinandergesetzt hat, klar. Ebert übernahm zwar am 9. November 1918 aus den Händen des Prinzen Max von Baden das Reichskanzleramt und war dann einer der Vorsitzenden des am nächsten Tag gebildeten, als Reichsregierung fungierenden Rats der Volksbeauftragten, aber vom 11. Februar 1919 bis zu seinem Tode am 28. Februar 1925 war er: Reichspräsident.

Friedrich Ebert, 1922 und die Schulbücher

In dieser Eigenschaft proklamierte Ebert, der 1917 zwei Söhne durch den Krieg eingebüßt hatte, am Verfassungstag (11. August) eben des erwähnten Jahres 1922 das Deutschlandlied zur Nationalhymne. In seinem 1931 erschienenen Beitrag „Friedrich Ebert – Deutschlands erster Reichspräsident“ beschrieb Gustav Radbruch, bedeutender Jurist und 1921/22 sozialdemokratischer Reichsjustizminister: „Man muss die Klugheit, nein: die geduldige Weisheit bewundern, mit der Friedrich Ebert dem neuen Staat Stück um Stück die Ausdrucksformen und damit die Autorität des Staates wieder aufbaute. Die Krönung dieses Strebens war jener Akt der Herzensweisheit, durch den er das Deutschlandlied wieder zum Lied aller Deutschen, zur deutschen Nationalhymne machte. Die Worte, in denen es geschah, sind so schön, dass sie als ein Vermächtnis des ersten Reichspräsidenten einstmals in den Lesebüchern aller deutschen Schulen stehen werden.“ Dass das nicht der Fall ist, erweist sich nun als problematisch …

Auch Kunstgeschichte braucht Fakten

Radbruch lobte Eberts Bescheidenheit und schlichte Würde. Auch hob er hervor, wie es „der ganz bewussten Arbeit Friedrich Eberts“ gelungen war, „Beziehungen zu stiften zwischen Staat und Kultur“. Mit diesen Beziehungen scheint es heute zumindest intellektuell nicht immer weit her zu sein, wenn ein äußerlich prächtiger Ausstellungsband zum Thema Weimar gleich eingangs Ebert für das Jahr 1922 zum „Reichskanzler“ macht – und wie zum Ausgleich – auf Seite 19 bezogen auf den 28. Januar 1933 vom „Rücktritt Kurt Schleichers vom Amt der [sic!] Reichspräsidenten“ spricht, obwohl Kurt von Schleicher (Adelsbezeichnungen gelten, auch das ist ein Erbe Weimars, als Teil des Namens) bekanntlich der letzte Reichskanzler der Weimarer Republik vor Hitler war.

Kunstgeschichte kommt wie alle Geschichtsschreibung nicht ohne Fakten aus. Die fast 200 Werke, die in der Schirn nun zu sehen sind, werden durch solche Schnitzer natürlich nicht gemindert, wenn man auch über Gewichtungen der getroffenen Auswahl streiten kann, bei der zum Beispiel Max Liebermann, Max Slevogt und Lovis Corinth, „die drei führenden Malerpersönlichkeiten der älteren Generation“ (Walter Laqueur, Weimar – Die Kultur der Republik, 1976), nicht berücksichtigt wurden.

Karl Diefenbach

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 24. November 2017

MERKELS SCHERBENHAUFEN

Die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland hat nicht nur das Volk tief gespalten, sondern auch die politischen Eliten. Das ließ nun auch den eigenen Koalitionstraum scheitern.

ENDE EINES SPUKS

Nach vier Wochen sind die Koalitionssondierungen geplatzt, weil sich die FDP in Sachen Migration nicht auf einen Kuhhandel einlassen wollte, wie er zwischen CDU, CSU und den „Grünen“ offenbar schon ausgemachte Sache war.

ASEAN UND EU

Auf dem Südostasiengipfel in Manila feierte die ASEAN ihr fünfzigjähriges Bestehen. Im Unterschied zur EU setzt sie auf „flache“ Integration und beweist auch in anderen Punkten mehr Augenmaß.

SORGE UM DIE VIELFALT

Der britische Rocksänger Steven Patrick Morrissey hat erneut mit kritischen Aussagen für Aufsehen gesorgt. In einem Zeitungsinterview zeigt er Verständnis für das Brexit-Votum seiner Landsleute, kritisiert die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Zuwanderungspolitik. „Multikulti“ mache wahre Vielfalt zunichte, so Morrissey.

PROBLEM WOHNUNGSLOSIGKEIT

Nach einer jetzt vorgelegten Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) waren 2016 rund 860.000 Menschen in der Bundesrepublik ohne Wohnung. Seit 2014 ein Anstieg um 150 Prozent. Die Zuwanderung hat das Problem verschärft.

AM BODEN: CDU IN SACHSEN

Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl führte die sächsische CDU-Landtagsfraktion jetzt eine Klausurtagung durch. Dabei wurde das „SachsenBarometer 2017“ ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Befragung sind für die Union zusätzlich ernüchternd.

EINE ZUKUNFT FÜR SIMBABWE?

Bringen der Rücktritt Mugabes und die Machtübernahme von Emmerson Mnangagwa die von den Simbabwern ersehnte Wende?

SIEGE UND NEBENGERÄUSCHE

Die bundesdeutsche Fußballmannschaft ist seit mittlerweile 21 Spielen ungeschlagen und zählt zum engsten Favoritenkreis der Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Russland. Doch so eindrucksvoll die sportliche Bilanz auch ist, es gibt Nebenwirkungen.

Nach oben