Nr. 2 vom 6.1.2017

Nr. 2 vom 6.1.2017

Standpunkt

Was trotz allem zuversichtlich macht

„Köln“ ist das dramatischste Zeichen dafür, was mit Deutschland in den Jahren 2015 und 2016 gemacht wurde. Das Land hat ja nicht „sich verändert“, sondern es wurde politisch verändert – vorsätzlich fehlbehandelt. Jetzt kann es noch nicht einmal mehr ohne starke Stützapparatur – Unmengen von Polizei, Sicherheitszonen und Sperrmaßnahmen – Feste feiern.

Veränderung der Gesellschaftsstruktur

Die Person, die diese rücksichtslose Behandlung zum Schaden des Volkes, dessen Nutzen sie nach dem Grundgesetz zu mehren verpflichtet ist, dessen Namen sie aber nicht auszusprechen bereit ist, zu verantworten hat und fortsetzt, versuchte in ihrer Neujahrsansprache am 31. Dezember 2016 gleichwohl, den „lieben Mitbürgerinnen und Mitbürgern“ zu suggerieren, dass sie alles richtig gemacht habe und man ihr vertrauen könne.

2016 sei „ein Jahr schwerer Prüfungen“ gewesen, sagte sie, schon mit dem ersten Satz ins Theologische ausweichend. Tatsächlich aber handelt es sich bei den meisten dieser „Prüfungen“ keineswegs um höhere Gewalt, sondern um vorhersehbare Entwicklungen. Beispielsweise lässt sich in einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zum Thema „Einreise von Asylsuchenden aus sicheren Drittstaaten“ vom 26. November 2015 (Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 299/15) nachlesen, mit welch „erheblichen Folgen für das Gemeinwesen“ „die pauschale und massenhafte Einreisegestattung“ verbunden ist: „Schon mit der Einreise von Asylsuchenden entstehen zahlreiche staatliche Pflichten, die – je nach Anzahl der Asylsuchenden – einen hohen Verwaltungsaufwand erfordern und hohe Kosten verursachen. Diese Auswirkungen beschränken sich dabei nicht auf die Dauer der Asylverfahren. […⁠] Langzeitwirkungen können auch bei Ablehnung von Asylanträgen eintreten, wenn Abschiebungen in die Herkunftsstaaten nicht möglich sind. Wird von der Einreisegestattung massenhaft Gebrauch gemacht, kann dies ferner die Gesellschaftsstruktur verändern und zu erheblichen Integrationsproblemen führen.“

Merkel ließ bekanntlich bis zum 13. September 2015 die Bundesgrenze unkontrolliert, obwohl der Ruf nach der zur Untätigkeit verdammten Bundespolizei längst immer lauter geworden war (siehe National-Zeitung vom 27. März 2015, Seite 1: „Wer prüft, wer kommt? – Unerlaubte Einreise und Kriminalitätsgefahren“). So konnte Anis Amri, der inzwischen tote Attentäter von Berlin, im Juli 2015 – nach einer Strafhaft in Italien – in die Bundesrepublik einreisen und hier im April 2016 Asyl beantragen. Und als am 13. September 2015, viel zu spät, wieder Grenzkontrollen eingeführt wurden, hat Bundesinnenminister de Maizière auf Geheiß Merkels und gegen den Widerstand von Bundespolizeipräsident Dieter Romann die entscheidende Gesetzesbestimmung außer Kraft gesetzt, wonach über sichere Drittstaaten kommenden Asylmigranten an den bundesdeutschen Grenzen die Einreise zu verweigern ist. Keine zwei Monate später kam Hussein K., der im Oktober 2016 in Freiburg die Studentin Maria Ladenburger vergewaltigen und ermorden sollte, ins Bundesgebiet.

Wegschauen und Hereinwinken

Durch diese Politik des Wegschauens und Hereinwinkens konnten aber auch diejenigen, die zu einem erheblichen Teil die „Prüfung“ der Stadt Köln und dort lebender Frauen bilden, neue Kräfte rekrutieren, etwa aus dem Kreis der 6.790 Algerier und 6.444 Marokkaner, die allein 2015 nach Nordrhein-Westfalen gekommen waren. Bis zum heutigen Tage hält die Bundesregierung dessen ungeachtet daran fest, dass jeder, der „Interesse an Schutz oder Asyl in Deutschland“ bekundet, über sichere Drittstaaten ins Bundesgebiet einreisen darf.
Gleichzeitig gab sich Merkel in ihrer Neujahrsansprache „trotz allem für Deutschland zuversichtlich“ und „von den Stärken unseres Landes und seiner Menschen überzeugt“. Die Verbrechen „in Würzburg, in Ansbach und vor wenigen Tagen erst am Weihnachtsmarkt hier an der Gedächtniskirche in Berlin“ schrieb sie dem „islamistischen Terrorismus, der auch uns Deutsche seit vielen Jahren im Visier hat“, zu. Um das Novum aber kam auch die Regierungschefin nicht umhin: „2016 griff er uns mitten in unserem Land an.“ Es sei „besonders bitter und widerwärtig, wenn Terroranschläge von Menschen begangen werden, die in unserem Land angeblich Schutz suchen“.

Die Voraussetzung der Demokratie

Merkels Zauberformel am Ende ihres predigtartigen Beschwörungsversuchs am 31. Dezember 2016 lautete: „Zusammenhalt, Offenheit, unsere Demokratie und eine starke Wirtschaft, die dem Wohl aller dient: Das ist es, was mich für unsere Zukunft hier in Deutschland auch am Ende eines schweren Jahres zuversichtlich sein lässt.“ Hätte sie den Erkenntnissen des führenden Migrationsforschers Paul Collier von der Universität Oxford ihre Aufmerksamkeit zuteil werden lassen, wüsste sie, dass die Form von „Offenheit“, die ihr vorschwebt, also der Staat ohne Grenzen, den Zusammenhalt gerade zersetzt (was sich unschwer auch ohne wissenschaftliche Lektüre beobachten lässt). Und hätte sie sich mit der Demokratie ernsthaft befasst und meinte sie es gut mit ihr, würde sie berücksichtigen, dass Grundlage der Demokratie die Nation ist. Wer die Nation auflöst, zerstört die Demokratie. Eine Gesellschaft, die in rasendem Tempo verändert wird (Merkels Menge namens „alle“), kann weder den demokratischen Willensbildungsprozess leisten noch in Wahlen die Korrektur einer zu Lasten des Staatsvolks aus dem Ruder laufenden Politik vornehmen.

Nicht umsonst bezeichnete kein Geringerer als der sozialdemokratische Verfassungsrechtler und Bundesverfassungsrichter a. ⁠D. Professor Ernst-Wolfgang Böckenförde in seinem Beitrag „Demokratie als Verfassungsprinzip“ im „Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland“ (Band 2, 2004) „das Bestehen vorrechtlicher Gleichartigkeit und relativer Homogenität“ als „die Voraussetzung der Demokratie in einem Volk“. Deswegen ist 2017 ein so wichtiges Jahr. Noch können die Staatsbürger bei der Bundestagswahl das Ruder herumreißen. Dass immer mehr sich dazu entschlossen zeigen und sich in der von Merkel geschaffenen Situation für eine neue Kraft geistig offen zeigen – das ist es, was „trotz allem“ tatsächlich zuversichtlich macht.

B. Schreiber

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 6. Januar 2017

KÖLN WIE ES SINGT UND LACHT

„Am Hauptbahnhof werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft.“ Über diese Kurznachricht der Kölner Polizei – die Abkürzung „Nafris“ steht hier für Nordafrikaner – vom Silvesterabend, 23:08 Uhr, kann sich nur aufregen, wer im vergangenen Jahr völlig lernresistent geblieben ist …

STÜRZT DIE TÜRKEI INS CHAOS?

Das Attentat auf den Nachtklub „Reina“ macht einmal mehr die ungeheure innenpolitische Polarisierung des Landes deutlich. In dieser Situation dürfe Europa, so will man uns weismachen, die Türkei nicht „alleine lassen“. Doch Visafreiheit und ein EU-Beitritt hätten höchst dramatische Folgen.

JAHR DER ENTSCHEIDUNGEN

Im eben angebrochenen Jahr stehen wichtige Ereignisse an. Im Herbst 2017 findet die Bundestagswahl statt. Im Saarland wird im März ein neuer Landtag gewählt, im Mai erleben wir dann die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Auch die Niederlande und Frankreich wählen 2017. Wie werden diese Wahlen Deutschland und Europa verändern?

HOFFNUNGSSCHIMMER FÜR SYRIEN

Russland, der Iran und die Türkei unternehmen den Versuch, den bald schon sechs Jahre dauernden Syrien-Konflikt zu lösen, und sehen dabei über bisherige Spannungen und Differenzen hinweg. Wie stehen die Chancen für den Frieden? Welche Risiken gibt es? Dr. Bernhard Tomaschitz analysiert.

KLARE ANSAGEN

Sahra Wagenknecht, Spitzenkandidatin der Linken zur Bundestagswahl im Herbst, hat es zum Jahreswechsel verbal krachen lassen. Wem sie eine Mitverantwortung am Terrorismus zuweist und warum. Auch Henryk M. Broder hat wieder aufhorchen lassen.

IN VERACHTUNG VEREINT

Die bundesdeutsche Linke hat sich mittlerweile von der Arbeiterklasse entfremdet. Das wird durchaus selbstkritisch gesehen. So auch vom Journalisten Christian Baron, dessen Streitschrift „Proleten, Pöbel, Parasiten“ derzeit für einigen Wirbel sorgt.

SUCHEN, ERKENNEN UND ZWEIFEL

Mit seinen in traditionellen Versmaßen und in klassisch-lyrischer Sprache verfassten Gedichten fällt der Hallenser Dichter, Musiker und Künstler Uwe Nolte – im positiven Sinne – aus dem Rahmen. In seinem neuen Band „Falke Heime“ zeigt er sich zeitkritisch wie nie zuvor.

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