Nr. 9 vom 24.2.2017
Standpunkt
Mit Widerspruch bleibt zu rechnen
Der Künstler Manaf Halbouni, den vor seiner Installation der drei senkrecht aufgestellten Busse vor der Frauenkirche in Dresden kaum einer kannte, der aber nun in aller Munde ist, hatte am 8. Februar bei der Einweihung des „Monuments“ in Richtung Gegendemonstranten gesagt: „Jeder darf hier seine Meinung sagen, aber man macht das mit Kultur.“ Kunst und Kultur als Sprachrohr, als Mittel zum Dialog – das ließen sich Vertreter der „Identitären Bewegung“ nicht zweimal sagen und verpassten dem eigenwilligen Denkmal auf dem Dresdner Neumarkt eine „ästhetische Ergänzung“.
So prangte am Montagvormittag, 20. Februar, für einige Stunden quer über den drei Fahrzeugen ein Banner mit der Aufschrift „Eure Politik ist Schrott“ und der kurzen These „Keine Interventionskriege, keine Waffenlieferungen –> keine Migration“. Außerdem wehte von einem der Busse eine weiße Fahne, auf der in arabisch wirkender Typographie „Heuchler“ stand und die wohl unter anderem daran erinnern sollte, dass das Vorbild für das Kunstwerk in Dresden, nämlich die Busse in Aleppo, nicht von Zivilisten, sondern von einer dschihadistischen Terrormiliz errichtet worden war. An dieser Art der gedankenlos übernommenen Ikonographie hatte niemand aus dem etablierten Lager Anstoß genommen.
Daniel Fiß, Chef der „Identitären“ in Deutschland, erklärt: „Der Künstler wollte ja den Dialog aufbauen.“ Die Aktion sei wichtig gewesen, „weil die Bürger in Dresden eine Art Ohnmacht gespürt haben“. Tatsächlich hatte das „Monument“ unter vielen Dresdnern Unverständnis und Ablehnung heraufbeschworen, vor allem, weil es bewusst in die Nähe des Gedenktags der Luftangriffe auf die Stadt 1945 gerückt worden war.
Nicht zu übersehen ist, dass sich die „Identitären“ mit ihrer Aktion nicht in erster Linie gegen den Künstler und schon gar nicht gegen die Kunst an sich wandten, sondern gegen eine Politik, die für sie mitverantwortlich ist für die Destabilisierung des Nahen Ostens, die die eigene Bevölkerung Gefahren im Schlepptau der Migrationsbewegungen – Stichwort Terrorismus – aussetzt und die dann auch noch diejenigen vor den Kopf stößt, die den 13. Februar der Erinnerung an die Vernichtung ihrer Stadt widmen wollen. In den Augen der „Identitären“ ist ihre „ästhetische Ergänzung“ des Schrottbus-Monuments daher auch Widerspruch gegen „moralische Selbstgefälligkeit“ des Establishments.
Halbouni scheint von der eigentlich erwartbaren Reaktion auf seine Aktionskunst überrascht und erklärte gegenüber der „Bild“: „Ich finde es armselig, dass diese Bewegung sich mit diesen drei Bussen profilieren muss.“ Und Christiane Mennicke-Schwarz, die Leiterin des Kunsthauses Dresden, sagte: „Ich finde es beschämend, dass es Menschen gibt, die nicht in der Lage sind, sich eine eigene Plattform zu schaffen, und stattdessen ein Kunstwerk für ihre Botschaften instrumentalisieren.“ Dieser Auffassung wurde unter anderem in den Kommentarspalten der MDR-Seite widersprochen. „Wie hieß es neulich noch? Kunst muss empören und zur Diskussion anregen. Alle Busunterstützer müssen zwangsläufig auch diese Aktion gut finden.“ „Das Kunsthaus Dresden wird das aushalten müssen, die ungefragten Bürger müssen noch viel mehr aushalten!“„Liebes Kunsthaus Dresden – armselig ist, wer die Frauenkirche und die Gefühle vieler Dresdener hinsichtlich der Bombardierung für seine Zwecke instrumentalisiert!“
Im Rahmen der Aktion, die friedlich und gewaltfrei ablief, ist kein Schaden entstanden. Selbst Kosten für die Entfernung fallen nicht an, weil diese vom „hauseigenen Zentralen Technischen Dienst mit dort vorhandener Technik“ übernommen wurde. Kai Schulz, Pressesprecher der Stadt Dresden, rechnete vor: „Das ordnungswidrige Befahren einer Fußgängerzone außerhalb der Lieferzeiten würde ein Verwarngeld in Höhe von 20 Euro nach sich ziehen, das Parken wird dann schon mit 30 Euro geahndet.“
AW
Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 24. Februar 2017
WER IN DEUTSCHLAND HALLEN KRIEGT
Gut ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl ist es für den türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim ein Leichtes, hierzulande für Erdogans autokratische Präsidialverfassung zu werben, während die in Umfragen drittstärkste deutsche Partei größte Schwierigkeiten hat, Veranstaltungsräume zu mieten.
SABOTAGE GEGEN TRUMP?
Die Stellung des neuen US-Präsidenten wird untergraben, um ihn zu einer harten Haltung gegenüber Russland zu bewegen. Wer dahinter steckt und mit welchen Methoden vorgegangen wird, beleuchtet Dr. Bernhard Tomaschitz.
AM VOLK VORBEI
Das Europäische Parlament hat die vorläufige Anwendung des Freihandelsvertrags zwischen der EU und Kanada auch gegen millionenfachen Widerstand durchgewunken. Was ist jetzt noch möglich, wie kann Ceta verhindert werden?
WAHLKAMPF IN FRANKREICH
Marine Le Pen wirbt mit „Wirtschaftspatriotismus“ und dem „Prinzip der nationalen Souveränität“. Sie präsentiert sich als moderne Frau mit Führungsambitionen. Im Wahlkampf betont sie ihre Liebe zu Frankreich. Eine mögliche Präsidentschaft stellt sie unter das Motto „Au nom du peuple“ – „Im Namen des Volkes“.
WIRD RUMÄNIENS REVOLUTION VOLLENDET?
In Bukarest gehen bis zu eine halbe Million Menschen gegen die Regierung auf die Straße. Der Protest richtet sich gegen die herrschende Sozialdemokratische Partei (PSD), die eine Amnestie für Fälle politischer Korruption durchsetzen will.
SCHULEN VOR DEM KOLLAPS
„Inklusive Pädagogik“ und die Zahl ausländischer Kinder stellen Lehrkräfte vielerorts vor kaum lösbare Aufgaben. Die Politik denkt unterdessen darüber nach, Schulbücher „diversitätsbewusst“ umzuschreiben.
INDIGENES KINO
Bei der diesjährigen Berlinale präsentierten nach 2013 und 2015 zum dritten Mal indigene Filmemacher in einer Sonderreihe ihre Werke. Schwerpunkt war dieses Mal die Arktis. Die Kurz-, Dokumentar- und Spielfilme über Inuit, Samen oder Nenzen zeigen dem, der sehen will, wie überlebenswichtig Identität im Zeitalter der Globalisierung ist.