Nr. 35 vom 26.8.2016

Nr. 35 vom 26.8.2016

Standpunkt

Ins Innere der historischen
Phänomene

Hierzulande war der am 17. August 2016 nach kurzer, schwerer Krankheit in Berlin verstorbene Ernst Nolte seit 30 Jahren nur noch „der umstrittene Historiker“. Im Ausland, insbesondere in Italien, hingegen galten Ernst Noltes Werke auch nach dem Historikerstreit als epochal – und er wurde als Denker geachtet, dem die großen Zeitungen und Kongresse offenstanden. Nolte sprach perfekt Italienisch und veröffentlichte einige seiner wichtigsten Aufsätze zuerst südlich der Alpen. Es war auch keine Überraschung, dass die Festschrift zu Noltes 80. Geburtstag („Das 20. Jahrhundert: Zeitalter der tragischen Verkehrungen“) von Pierluca Azzaro, der an der Mailänder Universität politische Ideengeschichte lehrt, herausgegeben wurde, und sich gleich acht italienische Beiträger beteiligten – darunter Domenico Losurdo, ein renommierter Hegel- und Marx-Kenner, der Nolte in verschiedenen Veröffentlichungen kritisiert hatte, es sich aber nicht nehmen ließ, dessen Schaffen in der Festschrift zu würdigen.

Nolte war weit mehr als nur der Theoretiker des „europäischen Bürgerkriegs“, er war auch ein ausgezeichneter Kenner des frühen Nietzscheanismus, der lange als avantgardistischer Kreis existierte, bevor sich erste politische Implikationen ergaben (nachzulesen in dem 1990 erschienenen Buch „Nietzsche und der Nietzscheanismus“), legte eine der besten Arbeiten zu den politischen Vorstellungen und dem Geschichtsbild Martin Heideggers vor (in dem 1992 erschienenen Buch „Martin Heidegger: Politik und Geschichte im Leben und Denken“) und war ein exzellenter Kenner des Werkes von Karl Marx. Sein 1983 erschienenes Buch über „Marxismus und Industrielle Revolution“ hielt Nolte für sein wohl bestes Buch.

Das letzte große Werk veröffentlichte er im Alter von 86 Jahren – es ist das 2009 erschienene Buch „Die dritte radikale Widerstandsbewegung: Der Islamismus“. Es zeigte Nolte bei dem Versuch „mit den Mitteln einer okzidentalen, spekulativen Ideengeschichte das Innere der muslimischen Weltreligion“ (Thorsten Hinz) zu ergründen, auf dem Gipfel einer unglaublichen Bildung und Belesenheit sowie mit der geistigen Frische eines Dreißigjährigen. Auch in seiner letzten großen Arbeit versuchte Nolte sich wieder in das Innere der historischen Phänomene hineinzuempfinden.

Noltes Methodik einer „historisch-genetischen Totalitarismustheorie“, die er der Totalitarismustheorie Hannah Arendts an die Seite stellte, ermöglichte in den Jahren nach dem Mauerfall erst eine Reihe bahnbrechender Studien über die frühen Jahre der Sowjetunion und den Stalinismus, beispielsweise von Gerd Koenen oder Jörg Baberowski.

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 26. August 2016

OKTOBERFEST 2016

Merkels Politik der offenen Grenzen soll nun offenbar mit Zäunen im Landesinneren kompensiert werden. Die Stadt München vergittert das Oktoberfest-Gelände. Bürger sind aufgefordert, ihre Wohnungen zu verriegeln und Hamsterkäufe zu erledigen. Wann korrigiert die Regierung den Kurs?

DAS MONTBLANC-RÄTSEL

Im Jahre 2009 schafften 115 Bundestagsabgeordnete innerhalb von zehn Monaten Montblanc-Schreibwaren für insgesamt 68.800 Euro an. Der Bundestag weigerte sich, Namen zu nennen. Und als er im Juli 2016 verwaltungsgerichtlich dazu verpflichtet wurde, die größten Besteller anzugeben, gab es nur eins: Rechtsmittel. Warum?

SCHAFFEN WIR DAS WIRKLICH?

Die Folgen der Massenzuwanderung sind für unser Land gewaltig. Nun gehen Politiker daran, immer neue Sicherheitspakete zu schnüren. Auch wird erbittert über ein „Burka-Verbot“ gestritten. Was würde es bringen? Welche Argumente sprechen dafür, welche dagegen?

ZENSIERT?

Sowohl in Österreich als auch in der Bundesrepublik beeinflussen verstörende Nachrichten die Debatte über importierte Gewalt und eine mögliche Änderung des Asylrechts (beziehungsweise der vom Recht seit langem abweichenden Praxis). Dabei scheinen sexuelle Übergriffe in Schwimmbädern ein Thema zu sein, über das nur zurückhaltend berichtet wird.

AUSDRUCK WEHRHAFTER DEMOKRATIE?

Sechzig Jahre ist es her, dass die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) vom Bundesverfassungsgericht verboten wurde – und noch immer gibt es Streit darüber, inwieweit das Verbot dieser Partei, die in den Augen der Regierung Adenauer eine fünfte Kolonne Moskaus darstellte, geboten war.

„AUF DER SUCHE NACH DER WAHRHEIT“

Vor 50 Jahren starb der Journalist und Publizist Hans Zehrer. Damals verabschiedete sich der Verleger Axel Springer mit den Worten: „Er war mein Freund und mein Mentor.“ Zehrer hatte bei der „Vossischen Zeitung“ begonnen, war dann Herausgeber der „Tat“, ehe er Chefredakteur der „Welt“ wurde.

PEBE – DAS LEGO DER DDR

Eine Ausstellung in Bad Kösen erinnert an die bunten Steckbausteine, die in abertausenden DDR-Kinderzimmern zu finden waren. Nachgezeichnet wird das Produktionsspektrum der Firma PEBE vom Ende der fünfziger Jahre, als die ersten Bausteine auf den Markt kamen, bis in die neunziger Jahre. Was bewirkte Erfolg und Niedergang des Spielzeugs, das bis heute für viele Nostalgie bedeutet?

FREIHEIT, DIE ICH MEINE

Viele Lieder besingen die Freiheit. Das bekannteste war über 150 Jahre lang „Freiheit, die ich meine“. Geschrieben hat das Gedicht um 1812 in Königsberg ein junger preußischer Beamter, 1783 in Tilsit geboren: Max von Schenkendorff.

REICHLICH RIO

Die Olympischen Spiele haben mit heldenhaften Typen, tragischen Momenten und zahlreichen Randgeschichten wieder alle Welt fasziniert. Wie fällt eine Bilanz aus deutscher Sicht aus und was bleibt haften? Ein Rückblick auf den Auftritt unserer Sportler.

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