Nr. 20 vom 12.5.2017

Nr. 20 vom 12.5.2017

Standpunkt

„Mahnzeichen der Kriegsopfer“

„Was haben Sie denn auf dem Kopf?“ Auf diese Frage wäre Bundeskanzler und CDU-Vorsitzender Dr. Konrad Adenauer am 5. Januar 1954 ohne Zweifel zuletzt gekommen. Es war sein 78. Geburtstag und Adenauer, der wichtige Grundlagen einer starken deutschen Demokratie gelegt hatte, bedankte sich bei dem Dirigenten der Kapelle des Bundesgrenzschutzes, die ihm im Garten des Bonner Palais Schaumburg ein Ständchen brachte. Zur Uniform des Kapellmeisters und seiner Musiker gehörte der Stahlhelm, wie ihn schon die Wehrmacht benutzt hatte. Der BGS behielt dieses Modell, mit minimalen Modifikationen, bis Mitte der 1990er-Jahre bei, als es zur Einführung eines Helms mit ähnlicher Silhouette aus Faserverbundkunststoff kam.

Und als im Juni 1959 Bundespräsident Prof. Dr. Theodor Heuss zum zweiten Mal das wiederangegliederte Saarland besuchte, legte man Wert darauf, dass die Bereitschaftspolizei, die vor seinem Quartier die Ehrenwache hielt, den traditionellen deutschen Stahlhelm trug – nicht mehr die französischen Polizeihelme und auch nicht den nur geringfügig vom amerikanischen Modell abweichenden Helm, den die Bundeswehr 1956 nach dem Muster anderer NATO-Staaten eingeführt hatte.

Wer sich etwa an den Trauerzug für den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß am 7. Oktober 1988 erinnert, weiß, dass auch die Bayerische Bereitschaftspolizei (wie diejenige Baden-Württembergs) den deutschen Stahlhelm verwendete. Bei ausländischen Gästen, etwa dem französischen Staatspräsidenten Valery Giscard D’Estaing 1980 in Würzburg, erregte die Ehrenformation mit dieser Anzugsordnung sichtlich keinen Widerwillen, sondern Wohlgefallen. Unmittelbar nach Strauß‘ Tod wurde von der Staatsregierung in München ausdrücklich klargestellt, dass die Bayerische Bereitschaftspolizei den Helm auch in Zukunft bei besonderen Anlässen tragen werde.

Die Beispiele zeigen: Der deutsche Stahlhelm, wie er in der Wehrmacht in Gebrauch war, spielte in der Tradition der bewaffneten Verbände der Bundesrepublik dann eine hervorgehobene Rolle, wenn es feierlich wurde. Dass er nun von einer „christdemokratischen“ Verteidigungsministerin in den Liegenschaften der Bundeswehr zum Jagd- und Denunziationsobjekt gemacht wird, ist aber nicht nur ein Bruch mit Gepflogenheiten. Denn der Stahlhelm ist auch „mahnendes Sinnbild und Denkzeichen“, wie es im 1984 vom Bayerischen Armeemuseum veröffentlichten und dem Konstrukteur des deutschen Stahlhelms, Professor Friedrich Schwerd, gewidmeten Standardwerk „Stahlhelme vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart“ des Historikers Dr. phil. Jürgen Kraus heißt. Dort liest man: „Im Zweiten Weltkrieg aber lebte der Brauch dieser Grabkennzeichnung [mit dem Helm] wieder auf. Millionenfach in dieser Form mit oder ohne Grabkreuz verwendet, bedeutet der Stahlhelm immer in doppelter Weise Denkzeichen für den Soldatentod und Kennzeichen der Nationalität; darüber hinaus aber wird er als Mahnung an den Opfertod des Gefallenen begriffen, eine Symbolik, die auch in der Verwendung des Stahlhelms als Gefallenen- und Kriegerdenkmal zum Ausdruck kommt. Der Nachkriegszeit bleibt er so Mahnzeichen der Kriegsopfer und stummes Denkmal des Krieges.“

Karl Diefenbach

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 12. Mai 2017

EIN SIEG DES ESTABLISHMENTS

Wie erwartet und von Meinungsforschern vorhergesagt, hat Emmanuel Macron die Präsidentschaftswahlen in Frankreich gewonnen. Wer aber ist das neue französische Staatsoberhaupt? Und wie ist das Abschneiden von Marine Le Pen zu bewerten – vor dem Hintergrund, dass in vier Wochen die Parlamentswahlen anstehen?

WÄHLERSCHRECK MARTIN SCHULZ?

Die Wahl in Schleswig-Holstein kannte mehrere Sieger und einen klaren Verlierer: SPD-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender Martin Schulz hat seinen „Bonus“, wenn es einen solchen gegeben hat, mittlerweile ins Gegenteil verkehrt. Er schrumpft vom 100-Prozent-Mann zur SPD-Belastung.

KURZE TESLA-EUPHORIE

Nach der Übernahme des Maschinenbauers Grohmann durch den kalifornischen E-Mobil-Hersteller werden Lieferbeziehungen gekappt und Niedriglöhne gezahlt. Was Elon Musk, Tesla-Großaktionär und Haupteigentümer des Raumfahrtunternehmens Space X, anrichtet.

GEGENWIND

Musiker Andreas Gabalier nimmt zum „Kopftuch-Sager“ des österreichischen Bundespräsidenten Stellung, Xavier Naidoo bezieht Prügel und ein grüner Oberbürgermeister legt sich mit seiner eigenen Partei ein.

WIDERSTAND GEGEN GROSSFUSION

Fast 200 Organisationen haben die Europäische Kommission in einem offenen Brief aufgefordert, die Übernahme des US-amerikanischen Monsanto-Konzerns durch die Bayer-AG zu stoppen.

DIE AUFBRUCH-INITIATIVE

„Wir sehen uns nicht in erster Linie als Kritiker, sondern als bürgerschaftliches Gegenüber von Verwaltung und Politik“, sagt die Initiative „Aufbruch Stuttgart“ über sich. Sie will gegen alte Bausünden vorgehen und spricht in diesem Sinne von einer Art „Rückeroberung der Stadt“.

DEUTSCHLANDS ERSTE LANDESMUTTER

Am 13. Mai 1717, also vor 300 Jahren, kam Maria Theresia zur Welt. Bis heute fasziniert sie die Öffentlichkeit, die im Jubiläumsjahr einmal mehr der Einzigartigkeit und Modernität der Habsburgerin als Herrscherin und Mutter gewahr wird.

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