Nr. 29 vom 15.7.2016

Nr. 29 vom 15.7.2016

Standpunkt

Jedes Leben zählt

„Mörderpolizisten schaffen Polizistenmörder” und „Schwarze Leben zählen”. Das sind zwei der Parolen, wie man sie jetzt, nach Dallas, auf „Black lives matter“-Demonstrationen in den USA zu sehen bekommt. Der erstgenannte Spruch macht es sich erkennbar zu leicht mit der Pseudo-Entschuldigung von Verbrechern, die auf Polizeibeamte – keineswegs nur auf weiße – schießen. Bei der zweiten Parole fragt man sich, zumal in der jetzigen Lage, warum nicht alle Leben zählen. Außerdem fällt auf, dass die „Black lives matter”-Bewegung ihre Stimme nur erhebt, wenn Weiße Schwarze töten. Dabei wurden laut 2010 vom Statistikbüro des US-Justizministeriums veröffentlichten Zahlen 93 Prozent der schwarzen Opfer vorsätzlicher Tötungsdelikte von 1980 bis 2008 von schwarzen Tätern ums Leben gebracht. Bei den weißen Opfern betrug der Anteil der von Weißen getöteten übrigens 84 Prozent. Warum also ist bei „Black lives matter“ von den Gewaltverbrechen zulasten schwarzer Amerikaner nicht die Rede, die dem Muster „black on black“ folgen?

Die Biografie von David Brown, dem jetzt international bekannt gewordenen Polizeichef von Dallas, der neuntgrößten Stadt der USA, zeigt eindrücklicher als Statistiken, um wie vieles komplizierter die US-Wirklichkeit ist, als es auf „Black lives matter“-Demos aussieht. Brown ist seit 1982 Polizist und steht seit Mai 2010 an der Spitze des 3.500 Beamte umfassenden Dallas Police Departments. Er hat in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli den Befehl gegeben, den Heckenschützen Micah Johnson mit einem Sprengstoffroboter zu stoppen, und beklagt nun einen „Krieg gegen Cops“.

Im Juli 1991 wurde Browns jüngerer Bruder Kelvin in der Gegend von Phoenix von Drogendealern erschossen. Im Juni 2010 erschoss David Brown jr., der damals 27-jährige Sohn des gerade vereidigten Polizeichefs, seinen Nachbarn, den 23-jährigen Jeremy McMillan, und den 37 Jahre alten Polizisten Craig Shaw, um dann selbst im Kampf mit der Polizei zu sterben. Schwarze Tote der Kategorie, zu der McMillan und Shaw gehören, scheinen für die ab 2012 entstandene „Black lives matter“-Bewegung, die sich doch angeblich „gegen Gewalt gegen Schwarze“ einsetzt, nicht zu zählen. Die Perspektive dieser Organisation ist natürlich bewusst so eng gewählt, um dem selbst gesteckten Ziel zu dienen, eine „schwarze Befreiungsbewegung“ zu werden. Die Instrumentalisierung der Ereignisse, nur soweit sie ins Bild passen, lässt jedoch die Berufung von „Black lives matter“ auf die Menschenrechte wenig wahrhaftig erscheinen. Jedes Leben zählt.

KD

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 15. Juli 2016

EINE SCHWEIZ IN DER NORDSEE?

Theresa May, die David Cameron als Premierminister und Vorsitzender der Konservativen Partei ablöste, hat eine klare Perspektive: „Brexit bleibt Brexit – und wir werden daraus einen Erfolg machen.“ Großbritannens Zukunftsoptionen nach dem Referendum.

„STÜRZT BERLIN INS CHAOS!“

Am vergangenen Wochenende erlebte Berlin die „aggressivste und gewalttätigste Demonstration“ der letzten Jahre: 123 verletzte Beamte, Angriffe mit Steinen, Flaschen und „Kugelbomben“, Fußtritte, Faustschläge, brennende Autos, zerstörte Schaufenster. Im Zentrum das Gebäude der Rigaer Straße 94, laut Verfassungsschutz „zentrale Institution der gewaltbereiten autonomen Szene Berlins“. Die nimmt sich in der Hauptstadt allerdings einiges heraus.

GREENPEACE ALS VORBILD“

Die Bürgerbewegung „Ein Prozent“ versteht sich als Antwort auf die Migrationspolitik der Bundesregierung und will jene vernetzen, die für die Grundlagen unserer Republik eintreten. Was tut sich bei der Bürgerbewegung, die die Politik verändern will?

KAMPF UM CETA GEHT WEITER

Die Volksabstimmung in Großbritannien hat EU-kritischen Kräften in ganz Europa Auftrieb gegeben. Was sie vereint, ist die Kritik an der Übertragung von Souveränitätsrechten der Mitgliedsstaaten auf die Brüsseler Bürokratie. Die will beim Freihandelsabkommen CETA mit Winkelzügen weiterhin über die Köpfe der Bürger hinweg bestimmen.

GROSSPROJEKTE IN DEUTSCHLAND

Fehlplanungen, unzureichnende Aufsicht, Pfusch, Korruption: Im Bau von Großanlangen bislang weltweit führende deutsche Unternehmen sind dabei, ihren Ruf zu verspielen. Wie konnte es dazu kommen?

FUSSBALL: WAR MEHR MÖGLICH?

Die Europameisterschaft in Frankreich lässt Sportfreunde mit Fragezeichen zurück. Wie hat Portugal es geschafft, sich diesen Titel zu holen? Warum war es der bundesdeutschen Mannschaft nicht möglich? Woran es letztlich hakte, sind Kleinigkeiten, allerdings grundsätzliche.

NICHT NUR SAUS, BRAUS UND BRAND

Irrer Brandstifter oder weitsichtiger Reformer? Das Rheinische Landesmuseum Trier zeigt erstmals eine große Ausstellung über Kaiser Nero. Dabei entsteht ein differenziertes Bild, das den römischen Imperator in einem anderen Licht erscheinen lässt, als man es seit dem Monumentalfilm „Quo vadis“ gewohnt war.

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