Nr. 12 vom 17.3.2017

Nr. 12 vom 17.3.2017

Standpunkt

Populismus gegen das Volk

Zwei Tage vor den niederländischen Parlamentswahlen wurde bekannt, dass Angela Merkel und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Davutoğlu am 6. März 2016, dem Vorabend des „Flüchtlingsdeals“, offenbar Zusagen machten, jährlich bis zu 250.000 Asylmigranten direkt aus der Türkei nach Europa zu holen. Den übrigen europäischen Politikern wurde die Zahl damals nicht genannt. So berichtet es der „Welt“-Journalist Robin Alexander, Autor des Buches „Die Getriebenen – Merkel und die Flüchtlingspolitik“ unter Berufung auf „Personen, die in die Verhandlungen involviert waren“.

Doch wurde diese Nachricht davon überlagert, dass Rutte im Endstadium seines Wahlkampfes gegenüber türkischen Politikern, die in den Niederlanden auftreten wollten, Härte markierte und Merkel den Niederlanden in diesem Konflikt „meine volle Unterstützung und Solidarität“ zusicherte.

Dabei bezieht sich die Ablehnung, die Deutsche und Niederländer gegenüber türkischen Wahlkampfauftritten in ihren Staaten zum Ausdruck bringen, ja nicht auf die ein, zwei Stunden der Reden von Politikern, die danach wieder in ihre Heimat zurückkehren, sondern auf die Fremd-im-eigenen-Land-Situation, die unsere Regierungen mit ihrem Kurs zunehmend herbeiführen.

Dass die niederländischen Behörden auf Geheiß Ruttes dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu am 11. März 2017 unter Hinweis auf Sicherheitsbedenken – der Auftritt würde die Spannungen erhöhen ⁠–, die Landeerlaubnis verweigerten und dann die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya zur unerwünschten Person erklärt wurde, nützt Erdogan im Abstimmungskampf vor dem Verfassungsreferendum genauso, wie es Rutte bei den niederländischen Wahlen zum Vorteil gereichte. Diese Art von Symbolpolitik bei gleichzeitigem Preisgeben fürs eigene Land wirklich entscheidender Positionen ist eine auf Täuschung aufgebaute, tatsächlich zu verurteilende Variante des „Populismus“, nämlich einer gegen das Volk.

Zu den eigentlichen Weichenstellungen gehört auch eine deutsche Gesetzesänderung vom Dezember 2014: Dass sich seither Türken, die neben der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern aufgrund ihrer Geburt in der Bundesrepublik auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben, nicht mehr bis zum vollendeten 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen, sondern mehrstaatig bleiben können, wird das Interesse Ankaras, in Deutschland Propaganda zu machen, in Zukunft nämlich noch vergrößern. In der Bundesrepublik lebende ethnische Türken bilden damit nämlich ein immer größeres Wählerreservoir, das entscheidenden Einfluss sowohl auf deutsche wie auf türkische Wahlergebnisse haben kann.

Jürgen Schwaiger

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 17. März 2017

„MAKE BURSCHENSCHAFT GREAT AGAIN“

Angriffe auf Studentenverbindungen gehören in der Bundesrepublik und in Österreich zum Alltag. Am 9. März freute sich nun das „Offene Antifa Plenum Dresden“ via Facebook über einen Farbanschlag auf das Haus der Salamandria in Dresden. Die Aktivitas beantwortete die Attacke mit Witz.

„BER“ WIRD ZUM GESPÖTT

Fehlplanungen, unzureichende Bauaufsicht, Pfusch am Bau sowie Korruption bei der Vergabe von Aufträgen. 25 Jahre zieht sich das Elend um den Berliner Großflughafen nun schon hin. Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Ein Kommentar.

WENIG DEMOKRATISCHE METHODEN

Gegen die AfD zu poltern, gilt in manchen Kreisen als schick. Allerdings vergiftet das Dauerfeuer auf Andersdenkende auch das gesellschaftliche Klima, zumal immer wieder stark übers Ziel hinaus geschossen wird, wie neue Fälle belegen.

RUSSLAND AM BALKAN PROVOZIEREN?

Montenegro soll so rasch wie möglich NATO-Mitglied werden und Mazedonien im Chaos versinken. Kann Trump diesen außenpolitischen Kurs beenden und die Beziehung zu Russland normalisieren? Hintergründe erläutert Dr. Bernhard Tomaschitz.

IN DIE RICHTIGE RICHTUNG

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 7. März entschieden, dass die Mitgliedstaaten der EU nicht verpflichtet sind, Personen, die sich in ihr Hoheitsgebiet begeben möchten, um dort Asyl zu beantragen, ein humanitäres Visum zu erteilen.

FLUGIKONEN

Mellie Beese, Thea Rasche, Elly Beinhorn, Hanna Reitsch gehören zu den Pionierinnen der Luftfahrt. In der Flugzeugwerft Schleißheim, einer Zweigstelle des Deutschen Museums in München, lädt die Ausstellung „Fliegen zwischen Traum und Wirklichkeit“ dazu ein, sich näher mit den Biographien dieser bemerkenswerten Frauen auseinanderzusetzen.

KEIN PLATZ FÜR WILDE TIERE?

„Serengeti darf nicht sterben“: Der Titel des ersten und einzigen Oscar-prämierten deutschen Dokumentarfilms und des gleichnamigen Buches von Bernhard und Michael Grzimek wurde zum Symbol für den Tierschutz. In Afrika engagierten sich Vater und Sohn leidenschaftlich für die wilden Tiere, ein Einsatz, der Michael Grzimek das Leben kosten sollte.

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