Nr. 10 vom 3.3.2017

Nr. 10 vom 3.3.2017

Standpunkt

Kanzlerin kontra Grundgesetz

Mit der ihr eigenen Oberflächlichkeit in kulturellen Dingen war es für Angela Merkel kein Problem, sich in dem Streit um den Namen der Greifswalder Universität für Ernst Moritz Arndt auszusprechen. Aber hat sie sich jemals mit ihm auseinandergesetzt? Ein in demokratischen, republiktreuen Kreisen der Weimarer Zeit beliebtes Wort Arndts, das auch die 1933 aufgelöste Vorgängerorganisation der Bundeszentrale für politische Bildung verbreitete, lautet: „Wer zu viel Fremdes begehrt, der stirbt an Übermut; wer sich das Eigene ungestraft rauben lässt, der stirbt an Entehrung.“ Diese Arndt-Sentenz wurde als Aufforderung zum Maßhalten verstanden, wozu Merkel – die massenhafte und pauschale Einreisegestattung an der Bundesgrenze belegt es – wenig Neigung hat.

Nun wollte sie auch noch die Kategorien so weit verwischen, dass der Missstand nicht mehr zu benennen wäre. Auf dem Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommerns in Stralsund verkündete sie: „Das Volk ist jeder, der in diesem Land lebt.“ Merkel rüttelt damit an den Grundlagen des demokratischen Staates. Der Kern der Demokratie ist die Volkssouveränität, die in Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt niedergelegt ist: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Und Artikel 28 Absatz 1 des Grundgesetzes verlangt: „In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muss das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist.“ Das Bundesverfassungsgericht bekräftigte am 31. März 2016 – Az. 2 BvR 1576/13 – erneut seine ständige Rechtsprechung: „,Volk‘ im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG sind dabei wie im Rahmen von Art. 20 Abs. 2 GG nur die (im jeweiligen Wahlgebiet ansässigen) deutschen Staatsangehörigen und die ihnen gleichgestellten Personen im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG.“ (Bei diesen gleichgestellten Personen handelt es sich um Flüchtlinge oder Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit.)

Nun wird mancher vielleicht sagen: Na und, dann haben Frau Merkel und das Grundgesetz eben verschiedene Begriffe davon, was das Volk ist. Aber auch mit dieser Argumentation läge die Kanzlerin im Clinch mit dem Grundgesetz, denn die vollziehende Gewalt ist „an Gesetz und Recht gebunden“, wie es in Artikel 20 Absatz 3 GG heißt. Für einen von der Verfassung abweichenden Volksbegriff der Regierungschefin ist im Rechtsstaat also kein Raum. Nicht zu vergessen, dass Merkel den vom Grundgesetz vorgesehenen Eid geschworen hat, „dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde“.

Karl Diefenbach

Einige der aktuellen Themen in der Ausgabe vom 3. März 2017

MEHR ALS STIMMUNGSMACHE?

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz wird zunehmend dafür kritisiert, wie er als EU-Parlamentspräsident agierte.

DER HERAUSFORDERER

Leif-Erik Holm tritt als Direktkandidat der AfD bei der Bundestagswahl gegen die Kanzlerin in deren Wahlkreis Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I an. Schlägt er sie, könnte dies den Rücktritt Merkel bewirken.

WAS IST IN SCHWEDEN PASSIERT?

Die Häme ließ nicht lange auf sich warten, nachdem Donald Trump als Beispiel für die gefährlichen Folgen unkontrollierter Einwanderung auch das, „was letzte Nacht in Schweden passiert ist“, nannte. Der Warnruf des US-Präsidenten unter der Lupe.

WIE ATTRAKTIV IST BAUSPAREN NOCH?

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Bausparkasse Bausparverträge kündigen kann, wenn diese seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind. In der Niedrigzinsphase ist dies ein Schlag für betroffene Bausparer. Dazu der Kommentar „Quer gedacht“.

WIE IST GRIECHENLAND ZU RETTEN?

Mit dem Euro sind die Hellenen nicht gut bedient. Die EU-Lobby will aber will ein Ausscheiden Athens aus der Europäischen Währungsunion unter allen Umständen verhindern.

FEHLENDER ANSTAND?

In Nordrhein-Westfalen lehnte die Linkspartei ein von den Grünen vorgeschlagenes „Fairnessprogramm“ im Wahlkampf schroff ab, weil dieses Angebot auch an die AfD gerichtet worden ist. Wie dies bei den Bürgern ankommt.

WO IST DER FUSSBALL HIN?

Kleidungsverbot, Meinungsverbot, Alkoholverbot, Stadionverbot, Hausverbot, Hüpfverbot, Anreiseverbot, Choreoverbot: Fußballfans befinden sich zunehmend am Gängelband des DFB, die Stimmung wird schlechter. Manche Anhänger setzen sich ab und gehen eigene Wege.

OLYMPIASIEG MIT 46 JAHREN?

Die Geschichte der bundesdeutschen Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ist bemerkenswert. Seit vielen Jahren bringt sie Höchstleistungen, muss aber gleichzeitig gegen vage Dopingvorwürfe ankämpfen. Kann es die frisch gebackene Vize-Weltmeisterin bei den Olympischen Spielen im kommenden Jahr nochmal allen zeigen?

Nach oben